Wo bleiben der Mensch und seine natürliche Intelligenz, wenn Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Aufgaben übernimmt? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf den Alltag älterer Menschen? Über diese Fragen hat sich Gastautor Dr. Jochen Meyer vom OFFIS für unsere Kolumne Gedanken gemacht. Mit dem Thema „KI und Alter“ beschäftigen sich auch die LINGA Wochen 2025.
Ich bin verlockt, diese Kolumne von ChatGPT schreiben zu lassen. Ein „Prompt“ – die Eingabe, die ich an ChatGPT mache – mit den gewünschten Kernaussagen ist schnell formuliert, und das Ergebnis ist Sekunden später da. Der Text ist gut, sachlich richtig, klar und ansprechend formuliert. Er ist sogar so gut, dass ich – Informatiker, Wissenschaftler, kein Journalist – ihn kaum hätte besser schreiben können. Meine Vorgaben, im Prompt von mir formuliert, sind perfekt umgesetzt.
Ist ein KI-Text auch wirklich „meiner“?
Warum also gebe ich den Artikel so nicht ab? Na klar, Ethik, Berufsehre und auch rechtliche Bedenken spielen da eine Rolle. Aber auch das Gefühl, dass der Artikel eben doch nicht so ganz „meiner“ ist. Er ist zwar ganz nett, aber irgendwie zu glatt, ein bisschen geistlos. Solche Texte habe ich schon oft gelesen, und sie reißen mich nicht mit. Ich habe den Text zwar nicht selber geschrieben, aber ich bin doch verantwortlich für ihn. Und so ganz kann ich mich eben doch noch nicht losreißen von der Vorstellung, dass ich Texte Buchstabe für Buchstabe selber tippen muss, damit sie „meine“ sind.
Das ist letztlich die gleiche Diskussion, die wir in den vergangenen Jahrzehnten schon oft geführt haben: Warum sollen wir Kopfrechnen können, wenn jedes Handy jederzeit alles ausrechnen kann? Warum sollen wir Geschichtszahlen lernen, wenn wir alles in Wikipedia nachschauen können? Warum sollen Schüler:innen das x-te Referat über Bertolt Brecht schreiben, wenn es doch hunderte gute im Netz gibt? Künstliche Intelligenz ergänzt diese Liste um weitere Fähigkeiten, die eine Maschine nun perfekt ausführen kann: Texte schreiben, Bilder malen, Musik komponieren, alles kein Problem mehr.
Individuelle Genialität des Menschen wird wichtiger
Wo bleibt da der Mensch, die Kreativität, die natürliche Intelligenz? Alles überflüssig? Sicher nicht. Wir brauchen nicht nur diejenigen, die die Prompts schreiben, sondern auch diejenigen, die die Ergebnisse checken, die Inhalte verantworten, die dafür stehen, dass das Ergebnis richtig und gut ist. Das erfordert Wissen, Kompetenz, Kreativität, Intelligenz, auf eine neue Art und Weise. Das Wissen um Konzepte, Zusammenhänge und Bedeutungen, der schöpferische und kreative Funken und die Genialität in jedem von uns, alles das wird in Zukunft immer wichtiger werden, damit wir nicht mehr und mehr glatt-geistlose Werke bekommen. KI ist ein Werkzeug, sehr mächtig zweifellos, aber eben nur ein Werkzeug.
Künstliche Intelligenz wird also ohne jeden Zweifel Teil unseres Alltags werden und ist es ja heute schon. Die Frage, ob wir KI haben wollen, stellt sich nicht mehr. Wir müssen nun als Gesellschaft lernen, mit KI umzugehen, müssen die Chancen nutzen, ohne die Risiken zu ignorieren.
ChatGPT erstellt Text über KI, Gesellschaft und Alter
Und der Text zu KI und Altern? Lesen Sie selber! Der Prompt dazu lautete: „Schreibe eine Kolumne über die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft und speziell auf das Alter. Der Umfang soll 1-2 Seiten DIN A4-Text sein. Sie soll sich grundsätzlich positiv mit KI und Technologie auseinandersetzen, darf aber die kritischen Aspekte nicht vernachlässigen. Bei der Rolle älterer Menschen sollte sie damit kokettieren, dass Älteren oftmals der Umgang mit Technik nicht zugetraut wird, sie als eher technik-kritisch sind, während sie tatsächlich aber sehr wohl offen dafür sind, sofern sie eine klaren Nutzen darin sehen. Beginne mit einer unterhaltsamen Geschichte. Ein Fazit soll sein, dass die Entwicklung neuer Technologien für eine gute Gesellschaft grundsätzlich nur dann gelingen kann, wenn man die Bedarfe der Nutzenden, der Bürger, der Mitglieder der Gesellschaft und eben auch der älteren Menschen von Anfang an, also in einem partizipativen Entwicklungsprozess mit einbezieht.“
Und diesen Text hat ChatGPT daraus gemacht:
Von der Schreibmaschine zur KI: Wie die Zukunft unsere Gesellschaft verändert – und warum ältere Menschen nicht unterschätzt werden sollten
Es war ein sonniger Nachmittag, als ich meine Großmutter in ihrem Wohnzimmer besuchte. Wie immer saß sie in ihrem Lieblingssessel, eine Tasse Tee in der Hand und – zu meiner Überraschung – ein Tablet auf dem Schoß. „Ich habe mir gerade ein paar Rezepte auf YouTube angeschaut“, erklärte sie mir mit einem Lächeln, das mich zum Schmunzeln brachte. Meine Großmutter, die einst stolz ihre mechanische Schreibmaschine verteidigte, hatte den Sprung ins digitale Zeitalter geschafft. Und zwar mit einer Leichtigkeit, die manch einen Technik-Experten erstaunen würde.
Die Geschichte meiner Großmutter steht stellvertretend für eine Erkenntnis, die vielen jungen Menschen schwerfällt: Ältere Menschen sind keineswegs technikfeindlich oder unfähig, neue Technologien zu erlernen. Im Gegenteil, sie sind neugierig und offen, wenn sie den Mehrwert dieser Technologien erkennen. Künstliche Intelligenz (KI) ist ein solches Beispiel, das in den letzten Jahren die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, radikal verändert hat – und zwar zum Besseren.
Der positive Einfluss von KI auf die Gesellschaft
KI hat in vielen Bereichen unseres Lebens bereits Einzug gehalten. Von intelligenten Assistenten, die uns den Alltag erleichtern, über medizinische Diagnosen, die präziser und schneller erstellt werden können, bis hin zu autonomen Fahrzeugen, die uns sicherer von A nach B bringen sollen – die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Und es sind nicht nur junge, technikaffine Menschen, die von diesen Entwicklungen profitieren. Ältere Menschen können durch KI ebenfalls enorm gewinnen.
Stellen wir uns eine Welt vor, in der Senioren durch intelligente Assistenzsysteme in ihren eigenen vier Wänden unterstützt werden. Sensoren erkennen, wenn jemand stürzt, und alarmieren sofort Hilfe. Sprachgesteuerte Geräte bieten die Möglichkeit, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben, auch wenn das Telefonieren schwerfällt. Künstliche Intelligenz kann helfen, altersbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und den Lebensabend so lange wie möglich in guter Gesundheit zu genießen.
Die Herausforderung: Technik zugänglich machen
Doch so vielversprechend diese Entwicklungen auch sein mögen, sie bringen auch Herausforderungen mit sich. Eine der größten Hürden ist die Zugänglichkeit der Technologie. Nicht jeder hat die gleiche Affinität für Technik, und gerade bei älteren Menschen kann es anfangs Berührungsängste geben. Doch diese Ängste sind in der Regel nicht technikbedingt, sondern entstehen oft aus einem Gefühl der Überforderung.
Hier ist die Gesellschaft gefordert: Wir müssen sicherstellen, dass neue Technologien so gestaltet werden, dass sie von allen Generationen genutzt werden können. Eine benutzerfreundliche Oberfläche, verständliche Anleitungen und ein klarer Nutzen sind entscheidend, damit auch ältere Menschen die Vorteile von KI erleben können.
Partizipation als Schlüssel zum Erfolg
Es ist jedoch nicht genug, Technologien nur „zugänglich“ zu machen. Vielmehr sollten wir die zukünftigen Nutzer, also uns alle, von Anfang an in den Entwicklungsprozess einbeziehen. Ältere Menschen haben oft eine andere Perspektive auf die Nutzung von Technik. Sie legen Wert auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und einen klaren Nutzen. Wenn diese Aspekte von Anfang an in die Entwicklung neuer Technologien einfließen, entstehen Lösungen, die für alle Altersgruppen ansprechend und nützlich sind.
Eine partizipative Technologieentwicklung, bei der die Bedürfnisse und Wünsche aller Bürger berücksichtigt werden, ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen und inklusiven Digitalisierung unserer Gesellschaft. Nur wenn wir alle – Jung und Alt – die Möglichkeit haben, unsere Ideen und Anforderungen einzubringen, kann eine Technologie entstehen, die wirklich allen nutzt.
Fazit: Die Zukunft gestalten wir gemeinsam
Die Geschichte meiner Großmutter zeigt, dass ältere Menschen sehr wohl bereit sind, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen – vorausgesetzt, sie sehen einen klaren Nutzen darin. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, unser Leben in vielerlei Hinsicht zu verbessern, doch damit diese Entwicklung wirklich für alle von Vorteil ist, müssen wir von Anfang an alle mit ins Boot holen.
Eine inklusive Technologieentwicklung, bei der die Bedürfnisse der Bürger im Mittelpunkt stehen, wird nicht nur den technischen Fortschritt vorantreiben, sondern auch das gesellschaftliche Miteinander stärken. Wenn wir die Stimmen der Älteren berücksichtigen und ihre Erfahrungen in den Entwicklungsprozess einfließen lassen, können wir eine Zukunft gestalten, die für alle Generationen lebenswert ist. Und wer weiß, vielleicht sitzen in ein paar Jahren noch mehr Großmütter mit einem Tablet auf dem Schoß in ihrem Lieblingssessel – und genießen die Vorteile, die KI ihnen bietet.
Über den Autoren
Dr. Jochen Meyer
Dr. Jochen Meyer ist Bereichsleiter des Forschungsbereichs „Gesellschaft“ im OFFIS – Institut für Informatik in Oldenburg. Er ist verantwortlich für etwa 30 Forschende, die in regionalen, nationalen und internationalen Projekten an neuen Technologien für eine inklusive und demokratische Gesellschaft arbeiten. Zu seinen Forschungsgebieten gehören Technologien für lebenslange Gesundheit und Prävention, Ambient Assisted Living und die persönliche Nutzung von Multimediadaten.
LINGA Wochen 2025
Ein spannendes Beispiel dafür, wie generationengerechter Alltag aktiv gestaltet werden kann, sind die interdisziplinären LINGA Wochen. Dieses bundesweit einzigartige Format bringt jährlich Studierende aus verschiedenen niedersächsischen Fachbereichen zusammen, um unter dem Motto „Der Nachwuchs forscht für das Alter“ innovative Lösungen für ein lebenswertes Altern zu entwickeln. Veranstalterin ist die Landesinitiative Niedersachsen Generationengerechter Alltag (LINGA).
Im Mai 2025 finden die 15. LINGA Wochen statt, diesmal mit einem Fokus auf „KI im Wohnalltag von älteren Menschen“. Nach einer zweitägigen Auftaktveranstaltung im OFFIS in Oldenburg startet eine zweiwöchige digitale Arbeitsphase, bevor der Abschluss vom 21.-23.5.2025 in Vechta in Form eines analogen Sprints erfolgt. Rund 50 Studierende werden in dieser Zeit gemeinsam Projekt-, Konzept- oder Produktideen erarbeiten, die den Alltag älterer Menschen durch KI-Lösungen bereichern können. Dabei bleibt das bewährte Prinzip der Interdisziplinarität im Mittelpunkt – ähnlich wie bei der erfolgreichen Integration von Technologien in den Alltag der älteren Generationen.
Die Herausforderung dabei ist es, Technik nicht nur zugänglich, sondern auch für alle Generationen nützlich zu gestalten. Genau hier setzen die LINGA Wochen an: Sie fördern den Austausch zwischen Jung und Alt, um eine inklusive Digitalisierung unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Hochschulpartner gesucht
Um die LINGA Wochen 2025 erneut zu einem Erfolg zu machen, werden noch weitere interessierte Hochschulpartner, insbesondere aus den Bereichen Pflege und Informatik, gesucht. Weitere Informationen zu den LINGA Wochen finden Sie unter LINGA Wochen – Den Alltag generationengerecht gestalten.
Wenden Sie sich bei Interesse gerne an die Ansprechpartnerin für die LINGA Wochen:
Sina Seidel (s.seidel@nds.de)
Landesinitiative Niedersachsen Generationengerechter Alltag
(Titelbild: Yan Krukau/Pexels)
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