An der Leibniz Universität Hannover (LUH) ist gestern ein ganz besonderer Film gezeigt worden. „Musings of a Mechatronic Mistress: The Peculiar Purpose of Tiffany the Sex Robot“ erzählt von einem Sexroboter, der sich auf Selbstfindungsreise begibt und dazu diverse Fachleute befragt, unter anderem LUH-Rechtsexpertin Iris Phan. In der anschließenden Diskussion mit weiteren Mitwirkenden ging es um Themen wie Datenschutz und Kosten, aber auch Objektivierung, Diskriminierung und Ethik. Wir von der Niedersachsen.next Digitalagentur waren mitveranstaltend dabei.
Gestern Abend haben wir Tiffany kennengelernt. Sie sitzt auf einem Stuhl und blickt mit ihren großen blauen Augen in die Kamera, bewegt sich mechanisch. Sie hat lange blonde Haare, große Brüste und trägt einen kurzen Rock. Tiffany ist ein Sexroboter. Eines Tages zieht sie in die Welt hinaus und begibt sich auf Selbstfindungsreise. Sie trifft sich mit Expertinnen und Experten und fragt: „Was bin ich?“ Diese Geschichte ist die Grundlage für den Film „Musings of a Mechatronic Mistress: The Peculiar Purpose of Tiffany the Sex Robot“, der gestern im Rahmen unserer Veranstaltung „Sexroboter: Wenn KI verführt – Rechtliche und ethische Überlegungen“ gezeigt wurde.
Uralter Wunsch der Menschheit
Eine der Expertinnen, mit denen sich Tiffany im Film trifft, ist Iris Phan von der LUH. Nach der offiziellen Begrüßung der gut 120 Gäste im Bielefeldsaal der Uni gab die Juristin einen Überblick über das Thema und näherte sich ihm zunächst historisch. Die Idee des künstlichen Menschen bestehe bereits seit der Antike. „Es ist ein uralter Wunsch des Menschen nach künstlichen Gefährten“, sagte sie. Bis heute gehe es um eine humanoide Gestalt, die den Menschen abbildet. Sexroboter seien „Erlebnisgegenstände“, die auch als Partnerersatz dienten.
Doch wie sollte die Gesellschaft mit diesen lebensechten Gegenständen umgehen? Ist schlagen ok? Und wie dürfen Sexroboter aussehen? Wie Prominente? Wie die Nachbarin? Diskriminierung müsse diskutiert werden. Ebenso Datenschutz, denn durch einen Zugang zum Internet könne ein Sexroboter ganz besonders sensible Daten der Öffentlichkeit preisgeben.
„What am I?” Tiffany geht auf Selbstfindungsreise
Mit diesen ersten Denkanstößen ging es in die Filmvorführung von „Musings of a Mechatronic Mistress: The Peculiar Purpose of Tiffany the Sex Robot“. In dem 20-minütigen Stück sitzt Tiffany nach und nach einem halben Dutzend Expertinnen und Experten aus Bereichen wie Robotik, Ethik und Recht gegenüber und versucht herauszufinden, warum sie auf der Welt ist. Ihr wird erklärt, sie sei ein spezielles Werkzeug, das den Menschen Vergnügen bringe, vor allem Männern mit viel Geld. Schnell geht es um die Objektivierung von Frauen und der weiblichen Form und die Frage, warum nicht andere Formen, Menschen allgemein, Pflanzen oder Pyramiden als Roboter abgebildet werden. Protagonistin Phan verdeutlicht im Film, dass für die Beantwortung dieser Fragen ein interdisziplinärer offener Diskurs außerhalb der Tabu-Ecke notwendig sei.
Tiffany will noch mehr wissen. Aufmerksam hört sie zu, kichert zwischendurch, erzählt einen Witz und lacht laut. Wie ist das mit Beziehungen? Könnte sich jemand in sie verlieben? Warum nicht, erwidert Protagonist Johannes Grenzfurthner. Schließlich gebe es auch Menschen, die sich in den Eiffelturm verliebten. Und Phan antwortet, wenn sich die Menschen durch einen Roboter besser fühlten, sei das auch eine Art von Beziehung. Am Ende ist Tiffany zufrieden mit den Antworten und verabschiedet sich voller Dankbarkeit von ihren Gesprächsgästen.
Podiumsgespräch über Datenschutz und Ethik
Im Anschluss wurde bei einem Podiumsgespräch über die Thematik diskutiert. Neben Regisseurin Jasmin Hagendorfer sowie Phan und Grenzfurthner nahm auch Dr.-Ing. Alexander Georgiadis vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium daran teil. Moderator war Prof. Dr. Nils Hoppe, Geschäftsführender Leiter des Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS) an der LUH.
Hagendorfer erläuterte ihre Beweggründe für das Werk und sagte, dass sie einen Film machen wollte, in dem die Puppe feministisch erwacht und sich fragt, warum sie ausgerechnet so aussieht. Phan äußerte sich zum moralischen Status von Tiffany. Dieser sei unklar, doch auch, wenn sie keine Rechte wahrnehmen könne, habe sie immerhin einen Schutzstatus. Ein Sexroboter sei „ein Ding aus dem Internet of Things“. Datenschutzfragen müssten vor der Produktion geklärt und zwischendurch immer wieder überprüft und aktualisiert werden.
Georgiadis betrachtete das Thema durch die Ministeriumsbrille. Datenschutz habe einen hohen Stellenwert, vieles sei auf europäischer Ebene geregelt. Sexrobotik sei ein spannendes Feld. „Wir wollen Innovationen umsetzen, aber den Datenschutz und die Rechte einzelner ernstnehmen.“ Man wolle nicht alles regulieren, allein schon aus Gründen der Bürokratie.
Forschung hinkt der Diskussion hinterher
Hoppe warf die Fragen auf, ob ein Sexroboter nicht auch als Medizinprodukt eingestuft werden könne, ähnlich eines Pflegeroboters und ob zu viel Regulierung bei diesem Thema nicht ein Eingriff in die Freiheit der Sexualität des Menschen sei. Grenzfurthner sah das Ganze eher von der pragmatischen Seite. „Wir reden über Dinge, die es nicht gibt“, sagte er. Die Forschung hinke der Diskussion hinterher und das sei gut. Möglicherweise orientiere sich ein Produkt in der Zukunft an dem, was heute diskutiert werde. Regisseurin Hagendorfer verdeutlichte, dass diese Fragen nicht allein der Sexindustrie überlassen werden sollten.
Mit einer kurzen Fragerunde aus dem Publikum und anschließendem Austausch ging dieser spannende Abend mit viel Stoff zum Nachdenken zu Ende.
Weitere Informationen und den Trailer zum Film finden Sie online bei Vimeo.
(Bilder: Stefan Kübler/Jasmin Hagendorfer)
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