Was machst Du, wenn der Wert Deiner Tätigkeit plötzlich auf null sinkt? Keine so einfache Frage, oder? Es ist eine Frage, die das Ungewisse und das Neue adressiert. Beides sind Dinge, mit denen wir Menschen nicht so einfach umgehen können. Was nicht überraschend ist, sind wir doch Gewohnheitstiere. Wenn ich bei Vorträgen die Frage stelle, wer Veränderungen wichtig und sinnvoll findet, um zukünftig zu bestehen, heben die meisten Menschen den Arm. Wenn ich dann jedoch frage, wer sich verändern möchte, dann bleiben die meisten Arme unten.

Neben der Vorfreude auf etwas Neues schwingt bei Veränderungen, deren Ausgang ungewiss ist, auch immer Angst mit. Und das ist etwas, was wir Menschen unbedingt vermeiden wollen. Aus dem Investmentkontext weiß ich, dass die Angst vor einem Verlust doppelt so schwer wiegt, als die Freude über einen Gewinn in selber Höhe. Wir Menschen sind seit jeher darauf konditioniert, in erster Linie Angst und Schmerz zu vermeiden. Und erst, wenn wir uns in Sicherheit wissen, lassen wir das Gefühl von Freude zu.

Angst vor Veränderung verhindert Fortschritt

Acht Personen, Frauen und Männer, sitzen in einer Besprechung um einen runden Tisch herum.
Angst vor Veränderung, sei es seitens der Geschäftsführung oder der gesamten Belegschaft, verhindert Fortschritt beim Thema Transformation. (Bild: Kampus Production/Pexels)

Das ist einer der Gründe, warum es etablierten Unternehmen schwerfällt, Disruptoren (Angreifern) die Stirn zu bieten. Schlussendlich ist ein Unternehmen die Summe seiner Beschäftigten und wenn diese, aus welchen Gründen auch immer, Angst vor Veränderungen haben, dann wird es die Unternehmensleitung sehr schwer haben, das Unternehmen zu transformieren.

Die Botschaft der Disruptoren ist jedoch unmissverständlich: „Zerstört euer Stammgeschäft, bevor wir es tun.“ Diese Zerstörung fällt den Disruptoren besonders leicht, weil sie ursprünglich nicht aus der Branche kommen, die sie angreifen. Sie haben die bestehenden Strukturen und Prozesse nicht aufgebaut und dadurch hängen sie auch nicht an ihnen. Ganz anders sieht es bei den etablierten Unternehmen aus. Sie haben die Branche seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, mitgestaltet. Dadurch hängen sie emotional an dem, was sie geschaffen haben. Was ein Grund dafür ist, warum etablierte Unternehmen eher inkrementelle Innovationen hervorbringen, als den großen disruptiven Wurf zu wagen.

Disruptor Uber krempelt den Taximarkt um

Ein Autofahrer sitzt am Steuer seines Fahrzeugs.
Das Unternehmen Uber hat ohne eigenen Fuhrpark den Taximarkt kräftig aufgemischt. (Bild: Jackson David/Pexels)

Das macht es den Disruptoren leicht, Ineffizienzen in bestehenden Branchen ausfindig zu machen und sich darauf zu stürzen. Nehmen wir das Beispiel Uber. Das Unternehmen mischte erfolgreich den nordamerikanischen Taximarkt auf, weil die Gründer unter anderem erkannten, dass die Taxis den Großteil der Zeit eigentlich nur rumstehen. Das ist jedoch sehr ineffizient, da dabei kein Geld verdient wird. Damit sich das Geschäft jedoch trotzdem lohnt, wird auch die Leerlaufzeit der Taxen auf die Beförderungsgebühr draufgeschlagen. Die Fahrgäste bezahlen also für etwas, wovon sie gar keinen Nutzen haben. Auf der anderen Seite gibt es Stoßzeiten, in denen es sehr schwer ist, ein Taxi zu bekommen. In solchen Zeiträumen lässt sich das Vielfache der eigentlichen Beförderungsgebühr verdienen. Gepaart mit einem intelligenten Algorithmus lässt sich sogar voraussehen, wo und wann sich solche Zeiträume ergeben. Und da Uber keinen eigenen Fuhrpark mit Personal unterhalten muss, sondern Privatpersonen, die sich etwas dazuverdienen wollen, für sich eingespannt hat, konnte es sehr schnell in den Taxi-Markt einsteigen.

Auf dieser Basis gelang es Uber erfolgreich, sich zwischen Taxiunternehmen und Fahrgäste zu schieben. Das Einzige, was die Taxiunternehmen Uber entgegenzusetzen hatten, waren Proteste, Gejammer darüber, wie unfair das Geschäftsmodell von Uber gegenüber ihnen sei und das Unternehmen zu verklagen. Der Beweggrund: Angst.

Bestehende Geschäftsmodelle pflegen und digitalisieren

Büro mit zwei Frauen, die am Computer sitzen und arbeiten.
„Wenn wir uns nicht verändern, tun es andere.“ – Beim Thema Transformation sollte die Belegschaft mit ins Boot geholt und offen und ehrlich informiert werden. (Bild: Mikael Blomkvist/Pexels)

Was kann die Unternehmensleitung tun, wenn sie ihre Belegschaft zur Transformation bewegen möchten? Die Botschaft der Disruptoren sollte keineswegs unter den Teppich gekehrt werden. Stattdessen sollte die Unternehmensleitung sie aufgreifen und klar an ihre Belegschaft kommunizieren: „Entweder wir greifen unser bestehendes Geschäftsmodell selbst an oder andere tun es.“

Gleichzeitig sollte jedoch auch eine zweite Botschaft kommuniziert werden: „Digitalisiert euch so gut es geht, aber zerstört nicht das bestehende Geschäftsmodell, sondern pflegt es. Macht es mit digitalen Mitteln so erfolgreich wie möglich, denn vielleicht sind die Disruptoren auch auf dem Holzweg. Parallel dazu bauen wir jedoch neue, disruptive Geschäftsmodelle mit Leuten auf, die einen frischen Blick auf unsere Branche haben. Ihr habt persönlich viel davon, wenn wir uns auf diese Weise selbst angreifen. Denn je besser es läuft, desto höher die Chance, dass wir uns auch besser um euch kümmern können. Niemand hat etwas davon, wenn der Wert unserer Tätigkeit auf null sinkt und wir dem nichts entgegenzusetzen haben.“

Die Leute sind nicht dumm. Sie wollen auch nicht für dumm verkauft werden. Die Belegschaft braucht klare, ehrliche Ansagen. Die wichtigste Botschaft der Unternehmensleitung sollte also lauten: „Ich kümmere mich um euch, aber ihr müsst auch Leistung bringen.“

(Titelbild: Life Of Pix/Pexels)

Über den Autor

Georg Redekop

Georg Redekop

Georg Redekop ist Wirtschaftsingenieur für Elektrotechnik und Experte für digitale Transformation. Mit seinen Impulsen setzt er sich aktiv dafür ein, Menschen für die Möglichkeiten der Digitalisierung zu begeistern. Dabei legt er besonderen Wert auf technologische Trends wie Low-Code und Künstliche Intelligenz sowie digitale Geschäftsmodelle und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Sein Motto: „Lasst uns spielen, um zu gewinnen.“