Manchmal läuft es im Leben nicht so, wie wir es geplant haben. Wir alle kennen diese Momente. Bei dem einen ist es die längst überfällige Beförderung, die erneut ausbleibt. Bei einer anderen die lang geplante Weltreise, die aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder verschoben werden muss. Und bei wieder anderen ist es die digitale Transformation des Unternehmens, die einfach nicht in Fahrt kommt, weil vielleicht alteingesessene Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sich um ihren Einflussbereich und ihre Macht sorgen.

Wenn sich nach wiederholten Anläufen immer noch kein Fortschritt einstellt oder man sogar um mehrere Schritte zurückgeworfen wird, ist es nur verständlich, dass man einfach aufgeben möchte. Einfach hinschmeißen und einen Schlussstrich ziehen, denn schließlich hat man ja alles versucht. Oder etwa nicht?

Wie alle anderen auch, kenne auch ich solche Momente. So haben meine Frau und ich vor gut zwei Jahren eine Immobilie erworben. Wir planten einen Monat für die Modernisierung ein und wollten danach mit unseren Kindern in das Fachwerkhaus einziehen. Als wir jedoch mit der Modernisierung fertig waren, mussten wir feststellen, dass die Balken aufgrund eines Ausführungsfehlers einen Erschöpfungsschaden aufwiesen. Zum Kaufzeitpunkt hatten wir das nicht festgestellt. Nach anwaltlicher Prüfung war eine Rückabwicklung nicht möglich. Also mussten wir ran an die Balken und diese sanieren. Wir hatten Glück im Unglück. Da es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, werden die Kosten durch alle Eigentümer geteilt. Auf der anderen Seite zieht sich die Sanierung so natürlich hin, weil jeder abgeholt werden will. Und dann kommt da noch das aktuell hochausgelastete Handwerk dazu. Die Auftragsbücher sind für sechs Monate und manchmal sogar länger gefüllt.

Frau beim renovieren eines Hauses blickt auf eine Wand im Rohzustand.
Beim Renovieren eines Hauses kommen oft Dinge dazwischen, die so nicht geplant waren. Ähnlich verhält es sich bei der Transformation im Unternehmen. In beiden Fällen können Geduld und Durchhaltevermögen zum Erfolg führen. (Bild: Monica Silvestre/Pexels)

Nach vielem Hin und Her konnten wir die Balken sanieren. Kurz bevor wir jedoch einziehen wollten, bemerkten wir, dass noch zwei weitere Balken gemacht werden mussten. Diese hatten wir entdeckt, als wir die abgehängte Decke rausgenommen hatten, um Raumhöhe zu gewinnen. Also begann das Spiel wieder von neuem. Abstimmen mit den anderen Eigentümern, Gutachter kommen lassen, Angebote einholen und so weiter. Mittlerweile zieht sich die Sache bereits zwei Jahre hin.

Der Teflon-Skandal: Langer Atem führt zu ungeahntem Erfolg

In solchen Momenten rufe ich mir die Geschichte des US-amerikanischen Unternehmensanwalts Robert Bilott ins Gedächtnis. Auch er hatte sein Leben und seine Karriere eigentlich anders geplant. Kurz nachdem er sich seine Sporen als Partner der Kanzlei verdient hatte, wurde er von dem Viehzüchter Wilbur Tennant aus Parkersburg mit einem Fall konfrontiert, der sein Leben verändern sollte.

In seinen Recherchen deckte Bilott dann auf, dass der Chemiekonzern DuPont in Parkersburg, West Virginia, Perfluoroctansäure (PFOA) in den Ohio River leitete sowie PFOA-haltige Schlämme in einer nicht abgedichteten Deponie entsorgte. Dies geschah jedoch nicht ordnungsgemäß, sodass die Chemikalien unter anderem das Grundwasser kontaminierten. Wodurch beispielsweise die Rinder des Viehzüchters Tennant erkrankten und starben. Und nicht nur diese. Auch die Menschen von Parkersburg erkrankten an den Chemikalien, wie es Bilott gelang nachzuweisen. Woraufhin er DuPont zur Rechenschaft vor Gericht zog, unentgeltlich wohlgemerkt.

Nach 16 Jahren Verhandlungszeit hatte Bilott den Konzern dann schließlich so weit, sodass dieser an die betroffenen Einwohner von Parkersburg eine Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen US-Doller zahlen sollte. Nach ersten Zugeständnissen weigerte sich das Unternehmen schließlich doch. 16 Jahre Arbeit lagen wie ein Scherbenhaufen vor Bilotts Füßen. In diesen 16 Jahren hatte er seine Karriere als Partner aufs Spiel gesetzt und auch seine Ehe und Familie. Er musste eine Entscheidung treffen: Sollte er den Schlussstrich ziehen, denn schließlich hatte er wohl alles gegeben? Oder sollte er noch ein weiteres Mal aufstehen und den Kampf aufnehmen?

Eine Richterin sitzt an einem Tisch, vor sich die Justitia, und schreibt auf einem Blatt Papier.
Hätte Anwalt Bilott nicht bis zum Ende durchgehalten, hätte er den Sieg für seine Mandantinnen und Mandanten und gleichzeitig den größten Erfolg seiner Karriere verpasst. (Bild: EKATERINA BOLOVTSOVA/Pexels)

Bilott entschied sich dafür, die 3.550 von insgesamt 80.000 betroffenen Einwohnern der Stadt Parkersburg einzeln vor Gericht zu vertreten. Was ungefähr bis zum Jahr 2890 gedauert hätte. In der Verfilmung dieser Geschichte mit dem Titel „Vergiftete Wahrheit“ wird dieser Moment besonders eindrucksvoll dargestellt. In der Schlussszene (ein bis zum Bersten mit Menschen gefüllter Gerichtssaal) schaut sich der vorsitzende Richter die Klageschrift an, stellt überraschend fest, dass Bilott die Klageseite vertritt, und sagt: „Herr Bilott, Sie sind ja immer noch dabei.“ Woraufhin Bilott antwortet: „Ja, Sir, das bin ich.“

Für die erste Klägerin, eine Nierenkrebsüberlebende, holt Bilott 1,6 Millionen Dollar raus. Für den zweiten 3,2 Millionen. Dann 6,4 Millionen, anschließend 12 Millionen. Schließlich haben die Verantwortlichen bei DuPont die Nase voll und es kommt zu einem Vergleich von 670 Millionen Dollar und weiteren 25 Millionen für mögliche Verbindlichkeiten in diesem Zusammenhang. Der Fall wurde als der Teflon-Skandal berühmt und ging um die ganze Welt. Insgesamt zog sich die Auseinandersetzung über 19 Jahre hin. Der Fall verhalf Bilott zu weltweiter Bekanntheit und beförderte seine Karriere in nie dagewesene Sphären.

Die Dinge haben immer zwei Seiten

„19 Jahre voller Ungewissheit. Was sind da zwei Jahre mit einem absehbaren Ende schon?“, denke ich mir dann immer. Die Message lautet: Wenn Dir die Sache wirklich wichtig ist, dann ist es Deine Pflicht, dranzubleiben.

Und die Dinge haben immer zwei Seiten, so schlecht sie auf den ersten Blick auch sein mögen. In unserem Fall konnten wir unseren Sohn in einer Schule anmelden, die aktuell außerhalb unseres Einzugsgebiets liegt. Wir wollten ihn jedoch unbedingt auf dieser Schule haben, weil sie einen ausgesprochen guten Ruf hat. Durch die Immobilie, die sich im Einzugsgebiet der Schule befindet, wurde das möglich. Darüber hinaus konnten wir unser Netzwerk an Handwerkern erweitern, die wir für unsere zukünftigen Immobilienprojekte vielleicht gut gebrauchen können.

(Titelbild: Nataliya Vaitkevich/Pexels)