Ob die Digitalisierung einer Organisation oder die Ausrichtung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen, jede Art von Transformation ist eine Teamaufgabe. Einer allein kann das alles niemals schaffen. Das bedeutet aber auch, dass man andere Menschen von seinen Ideen überzeugen und für sich einspannen muss. Und das ist nicht immer leicht.
Manchmal helfen einem externe Ereignisse dabei, den Stein ins Rollen zu bringen, so wie die Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Durch einen zerstörerischen Tsunami kam es damals zu einer Folge von schweren Störungen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima. Was dann bei uns in Deutschland dazu führte, dass plötzlich die Bereitschaft in Politik und Gesellschaft für den Atomausstieg hochschnellte. Infolgedessen die Atommeiler quasi über Nacht heruntergefahren wurden.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim Beschluss des Sondervermögens für die Modernisierung der Bundeswehr im Zuge des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Plötzlich wurde etwas in kürzester Zeit beschlossen, über das man zuvor Jahre diskutiert hatte.
Man muss jedoch nicht erst darauf warten, bis es um einen herum knallt und kracht, um Ideen voranzutreiben. Doch leider werden die meisten Ideenentwickler nicht gehört, sodass ihre Ideen in den Schreibtischschubladen Staub ansetzen.
Bahnbrechende Erkenntnisse richtig verkaufen
Ich erinnere mich an ein Event der Leibniz Universität Hannover, bei dem die unterschiedlichen Institute der Universität ihre aktuelle Forschung dem interessierten Fachpublikum vorstellten. Die Keynote für dieses Event hielt ein Professor der Leibniz Universität, der in den USA an der Entstehung von schwarzen Löchern forschte. Er fackelte auf der Bühne eine großartige Show ab. Es gelang ihm, dieses komplexe Forschungsgebiet auch fachfremden Menschen näherzubringen. Er berichtete nicht nur über seine neuesten Durchbrüche, sondern unterhielt sein Publikum auch, wodurch die von ihm transportierten Ideen leicht verständlich wirkten.
In meiner unmittelbaren Nähe standen zwei seiner deutschen Kollegen. Der eine wandte sich dem anderen zu und sagte: „Verkaufen haben sie ihm ja beigebracht, dort in Übersee.“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie damals neidisch auf seine Durchbrüche oder auf seine Performance auf der Bühne waren. Was ich jedoch weiß ist, dass die Idee noch so gut sein kann – wenn man sie anderen nicht richtig verkauft, wird es sehr schwer, sie umzusetzen. Ich weiß, dass wir Deutschen ein Problem mit dem Wort „verkaufen“ haben. Letztlich geht es dabei um effektive Kommunikation und die Frage, ob Sie das auch gerne können möchten.
Leider ist der besagte Professor nur einer von wenigen, denen ich liebend gerne stundenlang zuhören könnte. Und das, obwohl ich mich nicht für schwarze Löcher interessiere. Fakt ist nämlich, dass die meisten deutschen Ingenieure ihre Ideen einfach nicht kommunizieren können. Woher auch? Diesen entscheidenden Soft-Skill, der in Wahrheit ein Hard-Skill ist, bekommen sie nur unzulänglich im Studium vermittelt. Und später wird der Skill nicht trainiert. Dieser Beitrag richtet sich also an alle, die lernen wollen, wie sie ihre Ideen effektiv kommunizieren können. Es darf nämlich nicht sein, dass beispielsweise die Digitalisierung in einer Organisation auf der Strecke bleibt, nur weil die Ideenentwicklerinnen und -entwickler nicht kommunizieren können.
Die anderen an der Idee mitwirken lassen
Letztens hielt ich wieder mal den Bestseller „Wie man Freunde gewinnt – Die Kunst beliebt und einflussreich zu werden“ von Dale Carnegie in meinen Händen. Ich schlug das Buch an einer zufälligen Stelle auf und erwischte das Kapitel „Wie man die Mitarbeit der anderen gewinnt“, also genau das, was man beispielsweise für die digitale Transformation braucht. Den Inhalt des Kapitels hat Carnegie auf die folgende Regel zusammengerafft:
„Lassen Sie den anderen glauben, die Idee stamme von ihm.“
Was das in der Praxis bedeutet, bekam zum Beispiel das Unternehmen General Mills im Jahr 1947 mit. Damals brachte das Unternehmen die erste Fertigbackmischung für Kuchen auf den Markt. Die Idee war, dass man die Hausfrauen durch das Produkt im Haushalt entlastet. Doch anders als von den Lebensmitteltechnikern (Ingenieure) von Mills erwartet, floppte das Produkt am Markt. Bereits nach kurzer Zeit entwickelte es sich zu einem Ladenhüter. Anstatt die Flinte ins Korn zu werfen, führte das Unternehmen Interviews mit der Zielgruppe durch.
Es stellte sich heraus, dass die Hausfrauen nicht etwa die Qualität des Produkts bemängelten. Das Produkt war sehr gut. Die Hausfrauen identifizierten sich jedoch nicht mit dem Endergebnis, dem Kuchen, weil sie nichts mehr dazu beitragen konnten. Es war ja alles bereits fertig, sie mussten es nur noch vermischen. Auf Basis dieser Erkenntnis entfernte das Unternehmen das Trockeneipulver aus der Mischung, sodass die Hausfrauen dem Teig noch frische Eier hinzufügen mussten. Oder sollte ich lieber sagen „durften“? Nach dieser kleinen Veränderung entwickelte sich das Produkt in kürzester Zeit zu einem Erfolg.
Die Methode, die Carnegie in seinem Buch beschreibt und die von General Mills erfolgreich angewandt wurde, ist der mittlerweile ausgiebig erforschte Ikea-Effekt. Wir Menschen wollen die Möglichkeit zur Mitgestaltung haben. Denn sobald wir mitgestalten, passiert etwas Magisches. Wir fangen an, uns mit der Idee zu identifizieren und gehen gerne die Extrameile. Plötzlich ist es nicht mehr eine Fertigbackmischung, sondern unser eigener Kuchen, denn wir haben ja die frischen Eier beigesteuert.
Low Code: Praktischer Prototyp statt Daten und Fakten
Eine weitere Methode, Menschen dazu zu bringen, etwas zu tun, was in unserem Sinne ist, ist die Schaffung von Referenzerfahrungen. Als ich versuchte den Verantwortlichen bei uns im Unternehmen verständlich zu machen, dass sich mit der Einführung der Low-Code-Technologie neue Möglichkeiten ergeben, scheiterte ich bei den ersten beiden Anläufen. Ich wollte damals die in die Jahre gekommene Projektdatenbank neu auflegen und skizzierte meine Idee im ersten Anlauf als Management Summary auf einer DIN A4 Seite. Zurück kam ein Nein. Begründung: Kein Geld, zu kompliziert, keine Kapazitäten. Ich sollte meine Zeit nicht damit verschwenden. Ich dachte mir, dass sie meine Idee einfach nicht ganz greifen konnten. Die Low-Code-Technologie begegnet nämlich gerade den genannten Argumenten (kein Geld, zu kompliziert etc.). Also erweiterte ich mein Management Summary auf vier DIN A4 Seiten, auf denen ich die Argumente außer Kraft setzte. Aber auch diese vier DIN A4 Seiten verfehlten ihre Wirkung.
Beim dritten Anlauf machte ich alles anders. Anstatt noch mehr Seiten an Ausführungen zu den Vorteilen der Technologie vorzubringen, entwickelte ich einen Prototypen. Anschließend führte ich diesen ein paar ausgewählten Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen vor, wodurch ich sie als Verbündete gewann. Dann vereinbarte ich einen Termin mit den restlichen Betroffenen, die mit der neuen Datenbank arbeiten sollten, und den Verantwortlichen für die Demonstration des Prototyps in großer Runde. Zuvor sammelte ich alle Fragen ein, die den Betroffenen und den Verantwortlichen wichtig waren, damit ich mich richtig auf den Termin vorbereiten konnte. Nach der Demonstration fiel die entscheidende Frage von einem der Betroffenen: „Wann können wir mit der neuen Datenbank arbeiten?“
Dieses Vorgehen sollte seine Wirkung nicht verfehlen und der Rest ist Geschichte. Die Schaffung eines Referenzerlebnisses brachte hier den Erfolg. Durch den Prototypen hatten die Verantwortlichen plötzlich etwas zum Greifen und Erfahren. Und dies änderte ihre Einstellung zu der Sache. Sowie die Tatsache, dass ich in der Zwischenzeit zahlreiche Verbündete für meine Idee gewonnen hatte. Hier hatte ich gleich zwei Methoden miteinander kombiniert.
Carnegie hat noch zahlreiche weitere Methoden in seinem Buch, mit denen man seine Ideen effektiv kommunizieren kann. Die Lektüre lohnt sich, wenn Sie etwas bewegen wollen, beruflich oder privat.
(Titelbild: mentatdgt/Pexels)
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