Anlässlich unserer Themenwoche zu Künstlicher Intelligenz hat Nina Löchte von der Digitalagentur Niedersachsen mit Michael Huwald von Elektro Rieger über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Handwerk gesprochen. Die Elektro Rieger GmbH ist eines der größten Elektronikinstallationsunternehmen im Raum Hannover. Der Geschäftsführer Michael Huwald hat rund 50 Mitarbeiter/-innen angestellt, welche Projekte vom Wohnungsbau, in der Industrie bis zu Kleinstinstallationen in privaten Wohnungen durchführen. Um seine Mitarbeiter/-innen zu entlasten, setzt der Betrieb immer mehr KI ein. Das neueste Projekt, an dem der Betrieb teilnimmt, ist die KI-Werkstatt der Handwerkskammer Hannover Projekt- und Servicegesellschaft mbH und des Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik.

Herr Huwald, Handwerk und KI, wie passt das zusammen?

Huwald: Ja, das ist eine gute Frage. Ich habe als Vorbereitung auf das Interview Handwerk und Innovation gegoogelt. Dabei bin ich auf eine Statistik gestoßen, die ziemlich interessant ist. Im Zeitraum von 2003 bis 2006 wurden rund 500.000 Innovationen durch das Handwerk angestoßen, also Patente und neue Erfindungen. Da sieht man, glaube ich, dass Handwerk und Innovation nicht nur in der Steinzeit zusammengehörten, als das Rad erfunden wurde, sondern auch noch heute ein ganz wichtiges Thema für die Handwerksbetriebe ist. Diese setzen sich damit auseinander, wo sie sich verbessern, neue Techniken einsetzen oder selbst auch neue Techniken forcieren und in den Markt bringen können, um sich das Leben leichter zu machen.

Michael Huwald von Elektro Rieger
Rät Unternehmen aus eigener Erfahrung zu Offenheit gegenüber neuen Technologien: Michael Huwald, Geschäftsführer von Elektro Rieger. (Bild: Elektro Rieger GmbH)

Und das haben Sie ja auch schon gemacht. Wo setzen Sie denn Künstliche Intelligenz schon ein und wo wollen Sie diese noch einsetzen?

Huwald: Künstliche Intelligenz ist ja aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das fängt bei den Handys an. Dies ist ja schon eine der größten künstlichen Intelligenzen, welche wir im Moment nutzen. Wir arbeiten aber auch mit einer Software, die Taifun heißt, zusammen. Taifun hat uns den mobilen Monteur gebracht, wodurch die Kollegen, die draußen im Kundendienst tätig sind, keine klassischen Zettel mehr haben, sondern den Kunden den Auftrag auf einem Tablett oder Handy unterschreiben lassen. Das Ganze geht dann hier den internen Weg bis zur Rechnung, wobei dabei schon ziemlich viel automatisiert und vereinfacht ist.

Ein anderes Beispiel, wo wir KI schon einsetzten, ist mit unserem Partner HILTI. Mit HILTI haben wir ein Flottenmanagement umgesetzt, über das wir versuchen, viele Dinge zu automatisieren und uns einen Überblick zu verschaffen, wo welches Gerät gerade ist, um lange Suchzeiten zu verhindern. Dort sind auch Prüfalgorithmen hinterlegt, sodass man sich keine Gedanken mehr über solche Dinge machen muss und einfach eine E-Mail bekommt. Außerdem setzen wir KI im Bereich Arbeitserleichterung für Kolleginnen und Kollegen auf der Baustelle ein. Zum Beispiel haben wir letztes Jahr einen Test mit einem Exoskelett durchgeführt, welches uns vor der Markteinführung zur Verfügung gestellt wurde. Der Kollege wurde dabei durch das Exoskelett bei Überkopfarbeiten stark entlastet. Jetzt ist das Exoskelett auch auf dem Markt und man kann es kaufen oder mieten. Das haben wir vorletzte Woche dann auch getan um zwei Kollegen bei vielen Überkopfarbeiten damit auszustatten und somit ihre Arbeit zu erleichtern.

Ich sehe, dass sie schon einiges bei sich umgesetzt haben und auch ganz vielfältige Produkte nutzen. Was hat sie denn dazu bewegt, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Huwald: Zum einen sind wir durch unseren Gesellschafter getrieben, der von uns erwartet, nicht nur das klassische Handwerksunternehmen, sondern auch innovativ unterwegs zu sein. Wir haben einen Innovationszirkel mit unserer Muttergesellschaft, durch den wir von außen Impulse bekommen, aber auch selbst Impulse zurückgeben, was man denn anders und besser machen könnte. Das ist natürlich schon einer der großen Treiber. Um dann zu gucken, was wir machen können, steht auch etwas Geld und Zeit zur Verfügung. Es ist ein ganz wichtiger Faktor, dass man überhaupt die Möglichkeit hat sich mit dem Thema beschäftigen zu können. Als Geschäftsführer sehe ich das auch aus einer anderen Sichtweise als die Kollegen, die auf den Baustellen arbeiten. Ich vergleiche das immer mit dem Holzfäller, der im Wald mit seiner stumpfen Säge fleißig an seinem Baum sägt und nicht richtig vorankommt. Dann kommt ein Wanderer vorbei und sagt, dass er doch mal seine Säge schärfen solle, damit er schneller beim Sägen ist. „Ja, aber wann denn? Ich habe ja keine Zeit“, antwortet der Holzfäller. Das ist, glaube ich, eines der Kernprobleme, welches wir versuchen auszuhebeln und dafür auch Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit man sich mit diesen Themen überhaupt auseinandersetzen kann. Wir haben auch eine eigene Innovationsgruppe im Unternehmen, welche sich nur mit diesen Themen auseinandersetzt. Sie sollen links und rechts des Weges gucken, was es für Innovationen auf dem Markt gibt und was für uns spannend sein könnte.

Wo wir noch nicht so weit sind, ist, uns selbst Gedanken darüber zu machen, was wir selbst für Innovationen antreiben können. Das ist, glaube ich, das noch spannendere Thema. Dinge zu identifizieren und zu sagen: “Ja, das würde uns weiterhelfen.” Da hoffe ich jetzt auf unser neuestes Projekt, die KI-Werkstatt, bei der wir als eines von fünf Unternehmen teilnehmen. In Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer und der Leibniz Universität wollen wir auch mal an Themen rangehen, die wir uns immer erträumt haben, aber in der Realität noch nicht umsetzbar waren. Ein klassisches Beispiel, welches wir in der Auftaktveranstaltung gehört haben und das ich immer wie ein Mantra vor mir hertrage, ist die Entlastung der Mitarbeiter.

Wenn Sie sich das klassische Handwerk angucken, gibt es viele Tätigkeiten, die körperlich belastend sind. Dazu gehört zum Beispiel bei der Elektroinstallation Schlitzen, Stemmen und Fräsen. Die Kollegen müssen dabei, auch wenn die Maschinen schon gut sind, körperlich schwere Arbeit verrichten. Ich frage mich schon seit Langem, warum es dafür keinen Roboter gibt, der nur den Installationsplan einlesen muss und daraufhin die Fräsarbeiten erledigt, ohne dass ein Kollege körperlich tätig sein muss. So etwas hätte ich gerne. Es gibt sicher noch viele andere Anwendungsmöglichkeiten, wo man versuchen sollte, so etwas zu implementieren. Da sagen die einen dann wieder: „Oh weh, dann verlieren wir ja Arbeitsplätze!“, aber ich denke, die Kollegen, die dort an der Schlitzfräse stehen, können auch bei vielen anderen Sachen eingesetzt werden, wodurch wir diese nicht verlieren, sondern eher gewinnen und weiterqualifizieren können.

Offenheit gegenüber technischen Neuerungen ist wichtig: Ein Mitarbeiter von Elektro Rieger trägt ein Exoskelett, das die körperliche Arbeit unterstützt und erleichtert. (Bild: Elektro Rieger GmbH)

Arbeitserleichterung ist also ein Feld, bei dem KI einen Mehrwert liefern kann. Wo sehen Sie sonst noch Mehrwerte oder vielleicht auch noch Grenzen beim Einsatz von KI?

Huwald: Ein klarer Mehrwert ist für mich die Attraktivität als Arbeitgeber. Zu zeigen, dass Rieger in dem Bezug schon ein Schritt weiter ist als andere und damit als Arbeitgebermarke wieder ein bisschen spannender zu sein als der Wettbewerb. Vielleicht auch damit die ein oder andere Bewerbung mehr zu generieren. Das ist schon ein ganz wichtiger Punkt. Wenn ich über Grenzen nachdenke, ist es, glaube ich, Geld. Man muss sich immer die Frage stellen, was es kostet und was ist der Mehrwert, den ich dadurch generieren kann. Dort liegt dann die Grenze, wo auch wir passen müssen. Wir können zum Beispiel keine Softwarelösung einkaufen, die ausrechnet, wie viel Schrauben ich am Ende des Tages verbrauchen werde, weil das in keinem Verhältnis steht zu dem Ertrag oder Vorteil, den ich daraus generiere.

Aus Ihren Aussagen höre ich heraus, dass es auch strukturell passen muss. Einfach neben dem Alltagsgeschäft kann man solche Dinge nicht umsetzen. Es muss schon gut geplant sein und auch reinpassen, damit neue Lösungen auch von der Belegschaft angenommen werden. 

Huwald: Ja, genau! Es muss halt jemand machen und es muss auch jemand im Unternehmen kommunizieren. Wenn ich hier vom Schreibtisch versuche, Innovationen in das Unternehmen zu drücken, werden diese sicherlich nicht so erfolgreich sein, wie wenn die Kollegen den Mehrwert erkennen und mit Begeisterung am Start sind.

Sie sind auf jeden Fall mit Begeisterung dabei. Gibt es denn noch etwas, was Sie anderen Betrieben oder Unternehmen, die vielleicht noch überlegen, ob und wie sie sich dem Thema KI beschäftigen, auf den Weg geben möchten?

Huwald: Ich glaube, die Einstiegsdroge ist einfach mal zu gucken, was ich denn schon für KI im Unternehmen habe. Viele werden dabei feststellen, dass sie ja schon ein paar Sachen benutzen. Daraufhin sollte man sich Gedanken darüber machen, wo das Unternehmen noch mehr Erleichterung bekommen könnte und dann Themenschwerpunkte setzen. Ein Beispiel wäre, dass ein Unternehmen mit vielen Kundenbesuchen Interesse daran hat, seine Routen zu optimieren. Es gibt ja zum Beispiel Programme, in denen angegeben werden kann, wo man hinfahren möchte und das Programm errechnet dann, was die beste Route ist unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrssituation.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass es wichtig ist, sich zu informieren und die Angebote wahrzunehmen, die es da draußen gibt. Das, was wir jetzt mit der KI-Werkstatt machen, ist sicherlich ein ziemlich großer Rahmen mit einem Jahresprojekt. Wie ich im letzten Jahr festgestellt habe, gibt es nämlich eine ganze Menge. Gerade durch die Pandemie getrieben gibt es viele online Formate, bei denen man nicht extra externe Dienstleister einladen muss, um sich die Produkte anzugucken oder sich lange Präsentationen anhören muss, sondern wirklich in ein bis zwei Stunden Vorträgen oder Workshops gezielt Themen anschauen kann, um entscheiden zu können, ob dabei etwas dabei ist, bei dem es sich lohnt, mehr Zeit zu investieren.

Vielen Dank für das Interview.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen unserer Themenwoche Künstliche Intelligenz.

 

(Bild Header: Bild: jarmoluk/pixabay)