„Tue Gutes und erwarte nichts dafür.“ Dieser Satz beschäftigt mich nun bereits seit mehr als 13 Jahren. Der Mensch, von dem ich ihn immer wieder höre, ist mein Schwiegervater. Erst kürzlich hat er mich wieder damit überrascht, wie weit das Verständnis dieses Satzes für ihn geht, als er den Grünschnitt seines Nachbars allein zur Kompostierungsanlage brachte. Und das obwohl sein Nachbar es genauso gut hätte tun können, denn schließlich war es ja auch sein Grünschnitt. Auf meine Nachfrage, warum er seinen Nachbarn nicht in die Pflicht genommen hat und selbst gefahren ist, bekam ich den besagten Satz zu hören.

Mein Schwiegervater ist einer von der alten Schule. Aufgewachsen ist er in Rumänien in einem Dorf, wo jeder jeden unterstützen musste, wenn man gut durchs Jahr kommen wollte. Kalte Winter, heiße Sommer, harte Feldarbeit, Selbstversorger und so was halt. Seit über 30 Jahren ist er nun schon in Deutschland. Die Werte, die er in Rumänien von seinen Eltern mitbekommen hat, prägen auch heute noch sein Wirken in seiner ländlich geprägten Community hier in Deutschland. Er ist jemand, der die Dinge angeht, wenn er sie sieht. Er hat offene Ohren für die Anliegen seiner Nachbarn und geht mit offenen Augen durchs Leben. Wenn er ein Stück Altpapier auf dem Fußweg sieht, dann bückt er sich, um es aufzuheben und zum nächsten Mülleimer zu bringen. Auch wenn dieses Stück Altpapier nicht vor seinem Haus liegt.

Ortswechsel. Es ist ein Abend im Mai so gegen 17 Uhr. Das After-Work-Event der Digitalagentur Niedersachen, die ich seit über drei Jahren mein berufliches Zuhause nennen darf, ist gerade am Hochfahren. Ich bin umgeben von Menschen, mit denen ich, neben meiner Familie, die meiste Zeit meines aktuellen Lebensabschnittes verbringe. Sie sind meine berufliche Familie. In der Regel gehen unsere regelmäßigen After-Work-Events bis spät in die Nacht, was für die Qualität und den Zusammenhalt im Team (in dieser Community) spricht. Dies möchte ich sie wissen lassen und bringe den ersten Toast des Abends aus, der in diese Kerbe schlägt.

Gesunde Community als Basis für eine erfolgreiche Transformation

Junge Frau steht inmitten einer Gruppe und schaut nach vorn.
Familie, Freunde, Hobbys: Über verschiedene Verbindungen bewegen wir uns alle in einer oder mehreren Communitys. Wir wirken auf sie und sie wirkt auf uns. (Bild: Matheus Bertelli/Pexels)

Jeder von uns ist in einer Community untergekommen. In der Regel haben wir sogar mehrere, in denen wir aktiv sind: Familie, Arbeit, Freundeskreis, Verein. Wir alle nehmen Einfluss auf die Menschen in diesen Communitys. Und zwar immer. Egal ob es uns bewusst ist oder nicht. Mein Schwiegervater dient seiner Community, ohne etwas dafür zu erwarten. Und obwohl er nichts erwartet, kommen die guten Dinge doch irgendwie immer wieder zu ihm zurück. Der Grund: Die Menschen tun es ihm gleich. Sie fangen an zu dienen.

Auch wenn beide Beispiele auf den ersten Blick nichts mit Digitalisierung zu tun haben, stellt eine gesunde Community doch die Basis für eine erfolgreiche Transformation dar. Es ist ungleich schwerer, eine Transformation herbeizuführen, wenn die Menschen in einem Unternehmen (Community) nur auf ihr eigenes Wohl aus sind und kein Zusammenhalt existiert. Doch wie kann so etwas praktisch aussehen? Nachfolgend ein paar Anregungen dazu:

  • Mit offenen Ohren und Augen durchs Leben geht: Wenn man ein Stück Müll im Treppenhaus der Büroräumlichkeiten sieht, dann bückt man sich und hebt es auf.
  • Wenn man sieht, dass die Spülmaschine fertig ist und man steht sowieso gerade davor, dann nimmt man sich fünf Minuten Zeit und räumt sie aus.
  • Wenn die Milch, das Wasser oder die Kaffeebohnen im Kaffeevollautomaten leer sind, dann füllt man diese Dinge nach. Wenn man nicht weiß, wo diese Dinge liegen, dann fragt man danach.
  • Wenn man mitbekommt, dass eine Kollegin oder ein Kollege in Arbeit untergeht, dann fragt man diejenige/denjenigen, wie man für Entlastung sorgen kann.
  • Du bist Führungskraft? Dann solltest Du jeden Morgen durch die Büroräumlichkeiten gehen und Dir innerlich immer wieder sagen: „Da sitzen die Menschen, denen ich diene. Allein diesen Menschen bin ich Rechenschaft schuldig.“

Dienen heißt nicht, sich zu opfern

Mehrere Menschen gehen durch den Wald und sammeln Müll.
Der Community zu dienen bedeutet nicht, nicht “Nein” sagen zu können. Dienst zum Wohle der Gemeinschaft zeugt von Leidenschaft und Selbstbewusstsein. Auch bei Führungskräften im Büro. (Bild: Ron Lach/Pexels)

Ganz wichtig! Mein Schwiegervater opfert sich nicht, sondern er dient. Es gibt einen Unterschied zwischen nicht „Nein“ sagen zu können und Dienen. Während ersteres auf ein niedriges Selbstbewusstsein zurückzuführen ist, zeugt letzteres gerade von einem hohen, gesunden Selbstbewusstsein. Man macht die Dinge, weil man sich für sie entschieden hat und nicht, weil andere einen darum gebeten haben und man selbst nicht „Nein“ sagen konnte.

Wenn Du Führungskraft bist, dann hast Du Dich dazu entschieden anderen zu dienen. Wenn Du keine Freude daran hast, dann hast Du die falsche Entscheidung getroffen und solltest eine neue treffen. Denn langfristig wird keiner damit eine Freude haben. Solange Du die neue Entscheidung jedoch noch nicht getroffen hast, solltest Du Dir die folgenden Worte von Martin Luther King Jr. zu Herzen nehmen:

„Wenn es Dir im Leben zufällt, Straßen zu kehren, dann kehre die Straßen wie Michelangelo Bilder malte. Kehre die Straßen wie Beethoven Musik komponierte. Kehre die Straßen wie Shakespeare dichtete. Kehre die Straßen so gut, dass alle Heerscharen im Himmel und auf Erden innehalten müssen und sagen: Hier lebte ein großer Straßenkehrer, der seine Aufgabe gut gemacht hat.“

Und trotzdem, egal wie Deine neue Entscheidung aussieht, es wird immer ums Dienen gehen. Führungskraft hin oder her.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Freundlichkeit macht uns glücklich. Das ist Fakt und ist in unzähligen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen worden. Wenn wir anderen Menschen selbstlos etwas Gutes tun, dann ist das Glücksgefühl, das wir dabei verspüren, weitaus nachhaltiger im Vergleich zu einem Glücksgefühl, das wir verspüren, wenn wir uns etwas Schönes gönnen. Damit geht Dienen weit über die Grenzen der eigenen Community hinaus.

(Titelbild: Ketut Subiyanto/Pexels)