Anlässlich unserer Themenwoche zu Künstlicher Intelligenz haben wir mit Ilja Maurer von Finealyze über die Anwendungsgebiete gerade im Mittelstand gesprochen. Das Unternehmen vereinfacht Arbeits- und Produktionsprozesse mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Das Interview führte Marian Köller von der Digitalagentur Niedersachsen.
Herr Maurer, erzählen Sie uns zum Einstieg doch gerne etwas mehr über Ihr Unternehmen Finealyze: Was ist das typische Produkt und welche Dienstleistung bieten Sie gerade mittelständischen Unternehmen an?
Unser Produkt nennt sich Falconda. Und besteht im Wesentlichen aus verschiedenen Modulen. Das spannendste ist sicherlich die KI. Das heißt, wie können Algorithmen genutzt werden, um mit künstlicher Intelligenz Prozesse zu verbessern und versteckte Optimierungspotenziale zu identifizieren? Um dieses Ziel zu erreichen, sind vorher jedoch noch weitere Schritte notwendig. Zunächst müssen die notwendigen Daten bereit gestellt werden. Das klingt erstmal trivial, ist in der Regel aber gar nicht so einfach, weil in der Industrie viele Daten existieren. Beispielsweise in Form von Excel-Dateien, Papier-Listen, Protokollen und so weiter. Zusätzlich ist der Zugriff auf die wirklich wichtigen Daten (Maschinendaten) gar nicht gegeben. Deswegen ist ein Teil unserer Lösung, den Zugriff auf diese Daten zu gewähren. Dafür stellen wir zunächst mittels IIoT-Gateways Konnektivität zu Maschinen und Anlagen her. Anschließend verarbeiten wir diese Daten vor, filtern die wichtigsten Informationen und berechnen relevante KPIs. Zusätzlich nutzen wir diese qualitativ aufbereiteten Daten, um die zuvor genannte KI anzutrainieren und auch komplexere Analysen durchzuführen.
Wie kommt es, dass gerade KI dabei die Lösung ist? Wenn man sowieso schon die Daten hat, dann gibt es doch sicherlich auch andere, statistische Verfahren, um Erkenntnisse draus zu gewinnen oder überhaupt Daten sichtbar zu machen. Was ist denn der Mehrwert, den die KI-Technologie mit sich bringt?
Der Mehrwert ist die Schnelligkeit, mit der wir so ein KI-System implementieren können. Denn die Datenmengen, über die wir hier reden, sind ziemlich groß. Maschinen beispielsweise produzieren im Laufe des Tages mehrere Gigabyte an Daten. Diese Daten manuell zu analysieren, erfordert viel Zeit und – das ist noch viel wichtiger – die notwendige Expertise: welche Methoden sind anzuwenden, wie sind die Ergebnisse zu interpretieren und welche Schlüsse können im Endeffekt daraus gezogen werden? Eine KI hilft da insofern, dass sie bereits mit relevanten Daten vortrainiert worden ist und genau weiß, wie sie damit umgehen soll, um selbstständig Empfehlungen und Entscheidungen zu treffen.
Der Experte ist praktisch als „Rechner“ an Bord. Ist es das, was auch ein mittelständischer Kunde sieht und sagt: „Wir kommen wegen Ihrer KI-Kompetenz zu Ihnen“. Oder sichten diese den Markt und sagen: „Daten sinnvoll zu verarbeiten, daraus wieder Erkenntnisse zu ziehen, das ist erstmal unser Einstieg und KI läuft eher hinter den Kulissen.“?
Da haben Sie absolut Recht! KI ist immer das Ziel, da will jeder hin. Sei es im kleineren Rahmen, also lokal in einem definierten Prozess oder auch im größeren, übergeordneten Kontext. Vor dem Einsatz einer KI ist es jedoch wichtig, zunächst Transparenz zu schaffen. Das heißt, den Prozess besser verstehen und Optimierungspotenziale identifizieren, die aktuell nicht sichtbar sind. Besonders bei älteren Maschinen ist es oftmals der Fall, dass überhaupt keine Transparenz besteht. So muss der Mitarbeiter direkt an der Maschine kontaktiert werden, um den aktuellen Produktionsstatus zu erfahren. Teilweise muss auch die Anzahl der Produkte manuell gezählt werden, um den Fortschritt zu ermitteln. Da bietet der Zugriff auf Maschinendaten einen enormen Mehrwert, indem solche manuellen Tätigkeiten automatisiert werden. Erst wenn eine datenbasierte Transparenz geschaffen worden ist, kann nach und nach eine KI implementiert werden.
Wir haben verschiedene Dinge angesprochen, mit denen es für einen Unternehmer interessant wird, der gewährleisten will, dass seine Fertigung läuft und dass die Kosten im Griff sind. Die Geschwindigkeit ist ein Punkt. Ein anderer die Automatisierung. Ist das auch so ein Aha-Effekt bei Ihren Kunden? Kriegen Sie das gespiegelt, dass die Kunden sagen: „Das ist die Technologie, die wir zukünftig brauchen!“?
Ja, genau. Da gibt es zwei Typen von Kunden. Die einen wollen genau das: Ein System, welches eins zu eins auf ihr Problem zugeschnitten ist und exakt die Information liefert, die sie tagtäglich benötigen. Es gibt aber auch Kunden, die möchten Werkzeuge haben, um selbst mit den neu erworbenen Daten zu experimentieren. Beispielsweise KPIs in einem bestimmten Zeitintervall berechnen und die Ergebnisse auf eine bestimmte Art und Weise visualisieren.
Also haben Sie letztendlich ein breites Dienstleistungsspektrum ganz individuell nach Bedarf?
Ja, genau. Wir passen unser Angebot ganz individuell an die Wünsche des Kunden an.
Das klingt ja alles super, aber es gibt doch sicherlich auch Grenzen, bei denen Sie sagen: „Hier kommen wir mit dem heutigen Stand der Technik noch nicht weiter, aber in Zukunft ist es lösbar.“
Die größte Herausforderung ist aktuell die Breite an Maschinen und Prozessen. Um eine KI anzutrainieren, braucht man auch ein gewisses Grundverständnis über den Prozess und die zugrundeliegenden Daten. Deswegen fokussieren wir uns aktuell auf die Bereiche Glas, Metall und Kunststoff. Das sind Prozesse, da kennen wir die Abläufe und haben bereits Knowhow in der datenbasierten Analyse. Jedoch bekommen wir auch Anfragen und Projekte aus anderen Bereichen, so dass wir unser Produktportfolio kontinuierlich erweitern.
Da sind wir also noch nicht bei der ganz generellen KI-Lösung, sondern es wird wahrscheinlich weiterhin sehr interdisziplinär bleiben. Meine abschließende Frage: Aus unserer Erfahrung der Digitalagentur wissen wir, Digitalisierung ist angekommen in den Köpfen im Mittelstand. Trotz allem sind da viele Hürden, einerseits rein praktischer Natur, andererseits die Frage: „Ist es wirklich das, was mir weiterhilft?“ Haben Sie da ein Statement für den Mittelstand, um ein bisschen die Angst rauszunehmen?
Ich muss mal kurz überlegen (lacht). Also ich würde sagen, wenn wir von KI reden, von den ganzen neuen Technologien dann ist es: „Man muss sich trauen, etwas auszuprobieren!“ Es ist aktuell noch sehr schwierig, punktgenau auf den Prozent oder Euro zu quantifizieren, was die Mehrwerte einer KI sind. Da muss man einfach mal ausprobieren. Denn nur so kann man Innovationen wirklich nutzen und sich gegenüber dem Wettbewerb durchsetzen. Und das tun inzwischen viele und merken dann, wie nützlich diese Technologien sind. Also, traut Euch!
Ilja Maurer | Gründer Finealyze
Ilja Maurer hat Maschinenbau in Hannover studiert und sich schon während des Studiums stark auf IT spezialisiert. Er ist dabei seine Promotion am Institut für mechatronische Systeme abzuschließen und hat dort unter anderem zu Industrie 4.0, Big Data und Machine Learning geforscht. Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er aus der Wissenschaft heraus 2019 das Unternehmen Finealyze gegründet.
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