Mit dem Thema Digitalisierung beschäftige ich mich nunmehr seit mehr als acht Jahren. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich feststelle, dass sich inzwischen alles Mögliche digitalisieren lässt. Angefangen bei den internen Prozessen eines Unternehmens bis hin zur digitalen Markterschließung.

Aktuell könnte man sogar zu dem Schluss kommen, dass sich die Wertschöpfung immer mehr in den virtuellen Raum verlagert und die reale Welt in den Hintergrund gerät. Der Film „Ready Player One“ gibt uns einen guten Eindruck davon, wie sich der Schwerpunkt der Wirtschaft und insbesondere unseres menschlichen Daseins zunehmend in die virtuelle Welt verschieben könnte.

Das von Steven Spielberg verfilmte Science-Fiction-Abenteuer spielt im Jahr 2045 und zeigt eine dystopische Zukunft. Viele Bevölkerungszentren der Erde sind zu slumähnlichen Städten geworden. Die Umwelt ist zerstört und nicht mehr lebenswert. Um dem Schrecken der Realität zu entkommen, flüchten sich die Menschen in die virtuelle Realität namens OASIS, einem Multiplayer-VR-Spiel einer Online-Plattform. Auf dieser Plattform können sie dem düsteren Alltag entfliehen und in eine Welt eintauchen, in der es keine Grenzen gibt.

Verschmelzung von realer und virtueller Welt

Doch zurück in die Gegenwart: Die Metaverse-Aktivitäten von Meta und Apple zeigen, dass die großen Digitalkonzerne Interesse an der Verschmelzung von realer und virtueller Welt haben. Beide Unternehmen investieren massiv in die Konzipierung und Entwicklung des Metaversums und der dazu passenden Produkte und Dienstleistungen. Während sich Apple insbesondere auch auf die Arbeitswelt fokussiert, hat Meta den Freizeitbereich im Blick.

So versetzte Apple letztes Jahr mit der Veröffentlichung der Vision Pro die weltweite Community in helle Aufregung. Es könnte sich um einen neuen iPhone-Moment handeln, um einen echten Quantensprung der Technologie, kommentierten begeisterte Beobachterinnen und Beobachter. Insbesondere die immersive Erfahrung, also die Verschmelzung von Realität und Virtualität beeindruckte die Nutzenden. Gleichwohl gibt es aktuell noch das eine oder andere Manko. So scheint die EyeSight-Funktion (künstliche Transparenz auf der Oberfläche des Headsets) je nach Hautfarbe der Menschen unterschiedlich gute Ergebnisse zu liefern.

Noch ist es alles größtenteils Zukunftsmusik. Die Technologie ist nicht in der Fläche angekommen. Die Anzahl der Nutzenden und der Anwendungsmöglichkeiten ist überschaubar. Und für die besagten Unternehmen handelt es sich aktuell eher um einen Kostenfaktor. So machte Meta im vergangenen Jahr beeindruckende 16 Milliarden US-Dollar Verlust mit seinen Metaversum-Aktivitäten.

Virtuelle Konzerte vor Millionenpublikum

Es gibt aber auch beeindruckende Beispiele, die das wirtschaftliche Potenzial dieser Technologie aufzeigen. So veranstaltete der US-Rapper Travis Scott 2020 in der virtuellen Welt von Fortnite ein Konzert, an dem 27,7 Millionen Menschen von überall auf der Erde teilnahmen. „Für jüngere Generationen ist es total üblich, ‚ihren‘ Streamern unter anderem beim Spielen von Videospielen zuzuschauen, dabei beispielsweise über den Chat mit ihnen und anderen Zuschauern zu interagieren und nicht mehr nur selbst zu spielen“, stellt Pascal Hamann, VP New Products & Digital Experiences bei Axel Springer fest. Im vergangenen Jahr hatte sein Team zusammen mit dem bekannten Streamer Jens „Knossi“ Knossalla ein Konzert veranstaltet, das 100.000 Zuschauende anzog.

Umrisse einer Band auf einer Bühne vor Regenbogenfarben.
Virtuell werden mittlerweile teure Grundstücke verkauft und es finden Live-Konzerte vor einem Millionenpublikum statt. (Bild: David Yu/Pexels)

In der virtuellen Welt „The Sandbox“ wechseln bereits heute Grundstücke im Wert von hunderten Millionen US-Dollar die Eigentümerinnen und Eigentümer. Dabei umfasste der bisher teuerste Deal 100 Millionen US-Dollar. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Vermögen der Beteiligten in der realen Welt und genauso auch auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen.

Lebensdauer von Unternehmen und Geschäftsmodellen verkürzt sich

Die Boston Consulting Group hat in einer Studie ermittelt, dass sich die Lebensdauer von Geschäftsmodellen in den letzten 50 Jahren von 15 Jahren auf fünf Jahre verkürzt hat. Einer der Haupttreiber ist der massive technologische Wandel und die damit verbundenen neuen Absatzwege. Wenn wir den Börsenerfolg eines Unternehmens als ultimativen Erfolgsfaktor heranziehen, dann stellen wir fest, dass die Überschneidung der Fortune 500 Firmen heute und der vor 50 Jahren gerade einmal zehn Prozent beträgt. Dies stellt der Wettbewerbsforscher Justus Haucap von der Universität Düsseldorf in seinen Forschungen fest. Zu einem ähnlichen Schluss kommt McKinsey & Company, die die Lebensdauer der Fortune 500 Firmen untersucht hat. Während 1958 die durchschnittliche Lebensdauer noch 61 Jahre betrug, liegt sie heute bei nur 18 Jahren.

Natürlich wird das Metaversum nicht alles ersetzen, was es in der echten Welt gibt. Doch bei den Punkten, bei denen ein lukratives Geschäft winkt, wird es zu einer Verschmelzung und gegenseitigen Abhängigkeit kommen. Aktionen, die wir in der virtuellen Realität durchführen, werden Auswirkungen auf unser Leben in der realen Welt und andersherum haben. Und zukünftig könnten wir uns alle in einer virtuellen Realität wiederfinde, die als Spiel konstruiert wurde und in der es keine Grenzen gibt, außer unserer eigenen Vorstellungskraft.

(Titelbild: Tima Miroshnichenko/Pexels)

Über den Autor

Georg Redekop

Georg Redekop

Georg Redekop ist Wirtschaftsingenieur für Elektrotechnik und Experte für digitale Transformation. Mit seinen Impulsen setzt er sich aktiv dafür ein, Menschen für die Möglichkeiten der Digitalisierung zu begeistern. Dabei legt er besonderen Wert auf technologische Trends wie Low-Code und Künstliche Intelligenz sowie digitale Geschäftsmodelle und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Sein Motto: „Lasst uns spielen, um zu gewinnen.“