Wann sind Sie das letzte Mal fremdgegangen? Eine unanständige Frage? Ja, vielleicht. Aber was geht Ihnen jetzt als erstes durch den Kopf? Fragen Sie sich, wie der Herr Redekop so etwas überhaupt öffentlich schreiben kann? Oder wägen Sie vielleicht gerade das Für und Wider einer solchen Aktion ab? Was auch immer Sie gerade denken, ich kann Ihnen berichten, dass sich das Fremdgehen für Sie lohnen wird und ziemlich aufregend sein kann. Und das Beste ist, dass Sie dabei keinerlei Angst haben müssen, in flagranti erwischt zu werden. Denn genau das ist erwünscht, jedenfalls bei der Art des Fremdgehens, die ich Ihnen vorschlagen möchte.

Sie werden es bereits ahnen: Wir bewegen uns hier natürlich im Business-Kontext. Im Kern geht es darum, das persönliche Silodenken zu verlassen. Sie sollen losziehen und in fremden Gebieten nach frischen Ideen wildern, die Sie anschließend im eigenen Unternehmen umsetzen können. Es geht also darum, von branchenfremden Unternehmen zu lernen, wie ähnliche Probleme gemeistert wurden.

Wieso dies ein vielversprechendes Vorgehen ist, zeigt eine Bestandsaufnahme unseres persönlichen Freundeskreises. Hierzu möchte ich Sie zu einer kurzen Übung einladen. Nehmen Sie sich bitte ein paar Minuten Zeit, dazu ein Blatt Papier sowie einen Stift und notieren Sie Ihre fünf engsten Kontakte aus Ihrem Freundeskreis. Das sind Menschen, mit denen Sie den Großteil Ihrer Freizeit verbringen. Schauen Sie sich diese Liste nun etwas genauer an.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben Sie Menschen auf Ihrer Liste stehen, die in etwa genauso viel verdienen wie Sie. Auch kleiden sich Ihre Freunde auf eine ähnliche Art und Weise. Darüber hinaus werden diese Menschen sich wahrscheinlich auch in einer ähnlichen Familienkonstellation befinden. Wie sieht es mit dem Auto und der Wohnsituation aus? Wie mit Reisezielen und Freizeitbeschäftigungen? Musikgeschmack und Filme? Finden Sie bereits erste Übereinstimmungen? Wie sieht es mit dem Beruf aus? Was ist mit den Werten, Weltansichten und der Glaubensrichtung? Ich bin mir sicher, dass Ihnen diese Übung in Bezug auf Ihre Freundesauswahl etwas die Augen öffnen wird. Auch wird sie Ihnen bezogen auf sich selbst die Augen öffnen. Sie werden feststellen, dass Sie hinsichtlich der oben genannten Kriterien viele Gemeinsamkeiten mit Ihren Freunden aufweisen.

Das Phänomen der Spiegelneuronen

Drei Frauen stehen in einer Gruppe zusammen und lachen.
(Bild: StockSnap/Pixabay)

Die Wissenschaft führt dieses Phänomen auf die sogenannten Spiegelneuronen zurück. Spiegelneuronen sind ein Resonanzsystem in unserem Gehirn, das uns Gefühle und Stimmungen anderer Menschen unbewusst empfangen lässt. Doch nicht nur das. Wir verspüren auch sofort den Wunsch nach Anpassung und handeln im Umkehrschluss so, wie es unser Gegenüber auch tut. Wenn sie oder er traurig ist, dann löst das in uns ebenfalls Traurigkeit aus. Bei Freude ist es das gleiche. Es ist wie in der Musik. Eine einmal angeschlagene Gitarrensaite bringt die anderen Saiten zum Schwingen. In diesem Zusammenhang spricht man von Resonanz. Dies lässt sich auch bei uns Menschen beobachten:

  • Mütter mit Kindern kennen andere Mütter mit Kindern
  • Porschefahrer kennen andere Porschefahrer
  • Handwerker kennen andere Handwerker
  • 96 Fans kennen andere 96 Fans und so weiter…

Wir suchen uns fast automatisch die zu uns am besten passenden Menschen und Menschengruppen aus. Dieses Verhalten hat mehrere Gründe. Zum einen empfinden wir Verbundenheit. Wir spüren, dass wir mit unseren Ansichten nicht allein sind und es Menschen gibt, die uns verstehen. Darüber hinaus empfinden wir als Teil einer Gruppe Sicherheit und die damit einhergehende Kontrolle über die äußeren Umstände. Diese Vorteile erkaufen wir uns jedoch durch einen gravierenden Nachteil. So ist es uns quasi unmöglich, eine tatsächlich objektive Meinung zu einer Sache zu haben. Als Fußballfan werden Sie das kennen: Ein von der eigenen Mannschaft begangenes Foul an einem Gegenspieler wird von uns in der Regel als Schwalbe des Gegners ausgelegt. Wenn das Ganze andersherum läuft, dann wird es als eindeutiges Foul an unserem Spieler angesehen. Spätestens hier offenbart sich das klassische Silodenken von uns Menschen.

Was im Privatleben ganz nett zu wissen ist, ist im Business-Kontext umso relevanter, denn dabei geht es schließlich ums Geld. Daher möchte ich Ihnen nachfolgend drei Kreativ-Methoden vorstellen, mit denen Sie dem Silodenken und damit dem Bestätigungsfehler durch Gleichdenkende entgehen können.

In fremden Gebieten wildern

Als das Unternehmen Lattoflex vor ein paar Jahren darüber nachdachte, wie es die Fertigung für ein neuentwickeltes Produkt am besten organisieren und weitestgehend automatisieren sollte, kam den Verantwortlichen eine Idee: Warum nicht von denen lernen, die bereits heute über die automatisiertesten Fertigungslinien der Welt verfügen? Und so machten sich die Verantwortlichen auf die Suche nach diesen branchenfremden Unternehmen. Fündig wurden sie in der Automobilindustrie, nach deren Vorbild Lattoflex heute seine Fertigung organisiert.

Wenn Sie das nächste Mal über eine Lösung für ein Problem nachdenken, dann schauen Sie doch einfach mal in eine andere Branche. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auf der Welt jemanden gibt, der Ihr Problem bereits gelöst hat oder zumindest Teile davon.

Eintauchen in neue Welten

Ein Legomännchen am Schreibtisch wird von vier Lego-Sturmtrupplern umzingelt.
(Bild: www_slon_pics/Pixabay)

Ähnlich gehen Sie vor, wenn Sie in Welten eintauchen, die für Sie neu sind. Das kann der Besuch eines Museums sein oder ein gänzlich neues Reiseziel, anstatt Ihrer Stammresidenz auf Mallorca. Oder wie wäre es, wenn Sie sich bei den sozialen Medien Ihrer Kinder anmelden, denn diese nutzen ganz andere Apps als Sie. Vielleicht nehmen Sie aber auch mal eine alternative Fahrstrecke oder ein alternatives Transportmittel zu Ihrem Arbeitsplatz. Vielleicht gehen Sie mal mit einem Arbeitskollegen aus einem anderen Bereich zum Mittagessen. Oder wie wäre es mit einem neuen Film- oder Musikgenre?

Ziel dieser Methode ist es nicht, ein bestimmtes Problem zu lösen. Vielmehr empfehle ich Ihnen, öfter mal nach links und rechts zu schauen, denn auch dort finden Sie interessante Dinge. Je öfter Sie das machen, desto mehr wird es für Sie zur Gewohnheit, „außerhalb der Box zu denken“, wie man so schön sagt.

Dass es dabei tatsächlich um Geld gehen kann, das zeigt das Beispiel des damals noch jungen Drehbuchautors George Lukas. Seine Idee zu „Star Wars“ wurde zunächst von United Artists, Universal und Disney abgelehnt, weil sie einfach nicht in die Denkmuster der drei großen Filmproduzenten passte. Die Idee wurde schließlich von Fox umgesetzt, deren Verantwortliche jedoch an anderer Stelle zu zögerlich waren. In ihren Augen waren die Merchandise-Rechte an der Science-Fiction-Saga nichts wert, sodass Lukas sie sich mit Leichtigkeit sichern konnte. Wie die Geschichte zeigt, haben eben diese Rechte einen Milliarden-Umsatz generiert und damit die Kassen von Lukas gefüllt.

Work out loud

Zwei Akrobaten im Zirkus.
(Bild: Mariamichelle/Pixabay)

In diesem Zusammenhang könnten Sie es sich auch zur Gewohnheit machen, Ihre Arbeitsinhalte regelmäßig vor Ihren Kollegen zu präsentieren, auch wenn es noch keine konkreten Ergebnisse gibt. Ihre Kollegen, die sich nicht so eingehend mit Ihrer Fragestellung beschäftigt haben, haben einen ganz anderen Blickwinkel darauf und sind dadurch vielleicht in der Lage, interessante Impulse zu geben. Und vielleicht finden Sie sogar einen Mitstreiter, der Sie bei der Umsetzung Ihrer Ideen unterstützt. Und wenn Sie das richtig machen wollen, dann suchen Sie sich am besten kreative Kollegen aus einer anderen Abteilung. Diese haben nämlich durch die Distanz einen ganz anderen Blick auf Ihre Ideen und können den Erfolg Ihres Vorhabens am treffsichersten vorhersagen. Dabei sollten Sie zunächst einen weiten Bogen um Ihren Chef machen, wie die nachfolgende Studie zeigt.

Justin M. Berg, Professor an der Stanford Graduate School of Business, hat in seiner 2016 veröffentlichten Studie „Balancing on the Creative Highwire: Forecasting the Success of Novel Ideas in Organizations“ eindrucksvoll bewiesen, dass insbesondere kreative Kollegen den Erfolg einer Idee viel besser einschätzen können als der Chef. Für seine Studie hat er sich ein ganz besonderes Forschungsumfeld ausgesucht, nämlich die Zirkus-Branche. Es gelang ihm, weltweit 339 Zirkus-Profis für seine Studie zu gewinnen. Die Artisten waren gerade dabei, neue Kunststücke zu entwickeln. Berg ließ diese auf Video aufnehmen, zeigte sie anschließend mehr als 13.000 Zuschauern und notierte sich die Reaktionen. Zuvor ließ er die Kunststücke von den Artisten selbst bewerten: Welche würden am besten beim Publikum ankommen und welche würden eher durchfallen?

Die schlechteste Einschätzung lieferten die 120 Profis, die ausschließlich als Zirkus-Manager arbeiteten, knapp gefolgt von denjenigen, die ihre eigenen Ideen am besten bewerteten. Mit Abstand am treffsichersten waren jedoch die Artisten, die die Kunststücke ihrer Kollegen bewerten sollten. Berg führte dies auf die Tatsache zurück, dass sie zum einen mit dem kreativen Entstehungsprozess vertraut sind, gleichzeitig jedoch die notwendige Distanz wahren können, um sich nicht in die Idee zu verlieben.

Sollten Sie jetzt trotz dieser drei Methoden nicht so recht wissen, wo Sie anfangen sollen, dann sprechen Sie uns an. Wir bringen Sie gern mit den Andersdenkenden zusammen.

 

(Titelbild: Kaboompics.com/Pexels)