Im Jahr 1840 waren gut 70 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Weitere zehn Prozent in der Industrie und die restlichen 20 Prozent im Dienstleistungssektor. Mit der Erfindung von Traktoren, Melkmaschinen und anderen Werkzeugen wurde die Landwirtschaft im Laufe der Zeit immer leistungsfähiger, sodass immer weniger Menschen benötigt wurden, um die Felder zu bestellen. Gleichzeitig entstanden neue Arbeitsplätze in der Industrie und dem Dienstleistungssektor.

Fast 200 Jahre später dominiert der Dienstleistungssektor mit fast 80 Prozent der Beschäftigten das Dreiecksverhältnis aus Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung. Die Corona-Krise, die Anfang 2020 auch in Europa begann, machte Unternehmen und Beschäftigten insbesondere des Dienstleistungssektors schmerzlich bewusst, wie schutzlos ihr Sektor gegenüber Pandemien aufgestellt ist.

Dennoch bin ich der Ansicht, dass Service das Geschäftsmodell des 21. Jahrhunderts ist und sich zukünftig nicht allein auf den Dienstleistungssektor beschränken wird. Der Grund für diese, meine Ansicht ist die Digitalisierung.

Menge an Datenverarbeitung nimmt zu

Mit der Verbreitung des Internets nahm die Menge an Daten, die tagtäglich um den Globus geschickt wird, exponentiell zu. Hinzu kommen Sensoren und Microcomputer, die es den unterschiedlichen Geräten ermöglichen, miteinander zu kommunizieren und so noch mehr Daten zu produzieren. Daten, die in riesigen Rechenzentren gespeichert und unter Verwendung von intelligenter Software analysiert und weiterverarbeitet werden. Diese Sensoren, Microcomputer, Datenzentren und Softwareprogramme sind gewissermaßen die Traktoren und Melkmaschinen des 21. Jahrhunderts.

Neben der Steigerung der Effizienz und Effektivität von Prozessen und der Transformation der Arbeitswelt sorgen all diese Elemente auch für eine Weiterentwicklung der klassischen Geschäftsmodelle von Landwirtschaft und Industrie. Ähnlich wie im erwähnten Dreiecksverhältnis gibt es eine Verschiebung von der reinen Produktion und dem einmaligen Verkauf eines Produktes, hin zu einem Dienstleistungsgeschäft. So verkündete beispielsweise Tim Baert, General Manager E-Commerce DE/AT von L’Oréal, bei der Commerce Week die zukünftige Positionierung des Kosmetikkonzerns: „Wir glauben, dass es darum gehen wird, das Schönheitsgeschäft durch Dienstleistungen, wie das virtuelle Testen einer Haarfarbe oder von Make-up-Anprobe sowie Hautdiagnosen mittels KI/AR, neu zu erfinden. Dienstleistungen sind jetzt die neuen Produkte.“

Im 21. Jahrhundert ist Dienstleistung nicht nur der Bereich, der die meisten Arbeitsplätze bereitstellt, sondern auch das Geschäftsmodell, das ein interessantes Wachstumspotenzial für alle drei Sektoren bietet. Nachfolgend möchte ich Ihnen fünf Ausprägungen dieses Geschäftsmodells vorstellen.

Product-as-a-Service

Blick von unten auf die Unterseite eines startenden Flugzeugs mit Triebwerk und Tragflächen.
(Bild: rebelg. d/Pexels)

Bei Product-as-a-Service geht das darum, dass man dem Kunden ein physisches Produkt über eine bestimmte Zeitdauer als Abo-Produkt zur Verfügung stellt. Die monatlichen Zahlungen machen es dem Anwender leicht, das Produkt zu nutzen, ohne dabei größere Geldbeträge in die Hand nehmen zu müssen. In diesem Zusammenhang etablieren sich auch Abo-Pläne, bei denen man nur die tatsächlich genutzte Leistung des Produktes bezahlt. Möglich wird das, indem die Betriebszeiten des Produktes, beispielsweise eines Flugzeugtriebwerks, erfasst und an den Hersteller übertragen werden. In der Regel finden sich in den Abo-Plänen auch Serviceleistungen, die dem Hersteller zusätzliche Einnahmen garantieren.

Software-as-a-Service

Kunden können über das Internet auf Anwendungen zugreifen, die von einem Service-Provider gehostet werden, um beispielsweise Zahlungen in einem Online-Shop abzuwickeln, Daten zu speichern oder eine Website zu erstellen.

Infrastructure-as-a-Service

Infrastructure-as-a-Service bietet dem Nutzer die typische Rechenzentrumsinfrastruktur, wie Hardware, Rechenleistung, Speicherplatz oder Netzwerkressourcen aus der Cloud, ohne dafür selbst aufwendige und teure Rechenzentren einrichten und betreiben zu müssen.

Data-as-a-Service

Data-as-a-Service bietet die Bereitstellung und Verteilung von Informationen. Kunden, die diesen Service nutzen, können über das Internet auf für sie relevante Daten wie Wetterdaten, Geoinformationen oder Bild-, Sound- und Videodateien zugreifen.

Platform-as-a-Service

Platform-as-a-Service schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Product-as-a-Service, jedoch mit dem Unterschied, dass dem Kunden gleich mehrere teilweise zusammen interagierende Anwendungen zur Verfügung gestellt werden. Ein Beispiel ist die Adobe Creative Cloud, die einen vollständigen Zugriff auf sämtliche Kreativprogramme von Adobe bietet. Programme, die das Unternehmen früher einzeln vertrieben hat.

Mein Coach stellte mir mal die folgende Frage: „Wie oft verdienen Sie an Ihrer Arbeit, Herr Redekop?“ Meine Antwort: „Je geleistete Arbeitsstunde.“ Woraufhin er fragte: „Wäre es nicht schön, wenn Sie für eine einmal erbrachte Leistung immer und immer wieder bezahlt werden würden?“ Natürlich wäre das schön und das 21. Jahrhundert bietet uns genau diese Möglichkeit. Service ist das Geschäftsmodell des 21. Jahrhunderts. Ihres auch?

Nicht vergessen: Es geht um Menschen

Eine Gruppe aus drei Männern und einer Frau stehen gut gelaunt im Sonnenlicht zusammen.
(Bild: Helena Lopes/Pexels)

Abschließen möchte ich diesen Beitrag mit einem Gedanken, der uns allen nochmal ins Gedächtnis rufen soll, um was es eigentlich geht und insbesondere für den aktuell durch die Pandemie stark belasteten Dienstleistungssektor eine Lanze brechen soll. Vergessen Sie all das Gerede über B2B- und B2C-Geschäftmodelle. Letztlich geht es doch um Menschen. Unsere Kunden sind Menschen und wir sollten sie auch entsprechend behandeln. Und auch wenn die Digitalisierung uns mit Hilfe von Online-Konferenz-Tools und digitalen Vertriebswegen durch die aktuelle Krise hilft, so wollen Menschen doch vor allem eins: menschliche Erfahrungen machen.

Wir kaufen Produkte oder Dienstleistungen nicht einfach nur, weil wir sie brauchen, sondern weil sie eine Geschichte zwischen unterschiedlichen Ideen erzählen und wir Teil dieser Geschichte sein wollen. Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, dass der klassische Dienstleistungssektor auch zukünftig einen zentralen Beitrag zum Wohlstand unseres Landes leisten wird. Die alles entscheidende Frage lautet jedoch: Welche Ideen haben Ihre Kunden und welche Geschichte erzählen Ihre Produkte und Dienstleistungen?

 

(Titelbild: Field Engineer/Pexels)