Während der Coronapandemie weisen Tech- und Softwareunternehmen Eigenschaften auf, die man zuvor nur Unternehmen mit konservativen Geschäftsmodellen zugeschrieben hätte. Die Pandemie hat meine Sichtweise auf eigentlich krisenfeste Geschäftsmodelle verändert. In diesem Beitrag möchte ich meine Erkenntnisse aus der Sicht eines Investors mit Ihnen teilen, natürlich unter Berücksichtigung der Digitalisierung.

Bei der Coronapandemie zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab. Nachdem die beiden Pharmaunternehmen Pfizer und BioNTech Anfang November die frohe Botschaft über einen möglichen Corona-Impfstoff veröffentlichten, atmete die ganze Welt und insbesondere die Börse spürbar durch. Dabei bescherten insbesondere die durch die Pandemie gepeinigten Aktien von Airlines, Automobilwerten oder Öl-Unternehmen ihren Investoren ein Kursfeuerwerk und viele wetten bereits auf eine zügige Erholung der Wirtschaft.

Doch gleichzeitig lohnt sich ein Blick auf die vergangenen Monate, in denen sich die Welt, wie manche meinen, nachhaltig verändert hat. Monate, die nicht nur unseren Blick auf das Leben als solches verändert haben, sondern auch die Sichtweise, wie Investoren bestimmte Unternehmen zukünftig sehen sollten.

Krisenfeste Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand

Eine Frau beim Optiker vor einem Regal mit zahlreichen Brillen.
(Bild: Karolina Grabowska/Pexels)

Im Zuge des ersten Lockdowns offenbarte die Pandemie eine große Schwäche von denjenigen Unternehmen, die von vielen Investoren zuvor als krisenfest und konjunkturunabhängig gehalten worden waren. Vor allem handelte es sich um Unternehmen mit planbaren Erträgen, einer soliden Finanzierung und einem eigentlich krisenfesten Geschäftsmodell, wie beispielsweise Fielmann (Megatrend Demografie), Freenet (Kommunikation) oder Leifheit (Haushaltsprodukte). Alle solide finanziert mit beständigen Erträgen und hohen Ausschüttungsquoten. Die einzige Schwäche vor dem Hintergrund der Coronapandemie ist, dass diese Unternehmen für den Absatz ihrer Produkte auf ein Filialnetz angewiesen sind. Und eben diese Filialen mussten im Zuge des Lockdowns schließen, wodurch der Absatzweg plötzlich trockengelegt wurde.

Zwar haben sich die Aktienkurse der besagten Unternehmen mittlerweile wieder weitestgehend erholt, jedoch können sie mit dem Kursfeuerwerk der Tech- und Softwareunternehmen, wie Amazon, Apple, Nvidia oder Adobe nicht mithalten.

Digitalisierungsvorhaben einer Dekade innerhalb weniger Monate umgesetzt

So legte die Fielmann-Aktie seit Mitte März eine Wurzelkurven-Entwicklung hin und steht zu dem Zeitpunkt, an dem ich diesen Beitrag schreibe, nach wie vor deutlich unter dem Höchstkurs von 75 Euro (kurz vor dem Lockdown), nämlich bei 65 Euro. Im gleichen Zeitraum legte die Nvidia-Aktie ein Kursfeuerwerk von sage und schreibe 144 Prozent hin und notiert mit 439 Euro deutlich über dem Höchstkurs kurz vor dem Lockdown (290 Euro). Einen ähnlich guten Verlauf legten auch die Aktien von Amazon, Apple oder Shopify hin. Hintergrund dieser Kursfeuerwerke war unter anderem die Tatsache, dass während der Coronapandemie viele Unternehmen die längst überfälligen Investitionen in ihre IT-Infrastruktur nachholten und gleichzeitig die schwierige Situation nutzten, um ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren und ins Internet zu verlegen. Dies verschaffte den Unternehmen aus der Tech- und Softwarebranche einen Umsatzschub, da deren Produkte und Dienstleistungen verstärkt nachgefragt wurden. Experten sprechen davon, dass die Digitalisierungsinvestitionen der kommenden Dekade aufgrund der Pandemie auf wenige Monate zusammengerafft wurden.

Bis hierhin kann man zusammenfassen, dass die Pandemie die bislang unbekannten Schwächen der defensiv ausgerichteten Unternehmen offenbarte und zum anderen der Digitalisierung der Wirtschaft einen unerwarteten Schub bescherte. Gleichzeitig konnte man bei den Profiteuren der Pandemie eine bislang von vielen Investoren übersehene Stabilität des Geschäftsmodells beobachten. Der Vorteil von Software ist, dass sie einmal entwickelt und dann an Millionen von Kunden gleichzeitig ausgeliefert werden kann. Darüber hinaus bezahlen die Kunden die Softwareprodukte mittlerweile nicht mehr einmalig, sondern in wiederkehrenden Zahlungen, was die Erträge der betroffenen Unternehmen planbarer gestaltet. Ein weiterer Vorteil liegt im Absatzweg. Anders als beim Filialgeschäft, das von dem Lockdown massiv getroffen wurde, wird Software in der Regel über das Internet ausgeliefert. So musste beispielsweise Fielmann während des Lockdowns teilweise über 80 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen, während der Umsatz des Internetriesen Amazon um 40 Prozent zulegte. Sicherlich ist Amazon kein reines Softwareunternehmen mehr, jedoch basiert der Absatzkanal der Produkte auf dem Internet und ein weiterer Werttreiber, die Cloud, wurde während der Pandemie stark nachgefragt.

“Software is eating the world”

Auf einem weißen Schreibtisch liegen Börsenunterlagen, Smartphone und ein silbernes Sparschwein.
(Bild: Olya Kobruseva/Pexels)

Auch wenn das Gros der Investoren die Aktien von Amazon, Nvidia, Adobe und Co. derzeit mit einer hohen Volatilität in Verbindung bringt, entwickelten diese Unternehmen in den letzten Jahren Eigenschaften, die auch von konservativen Investoren geschätzt werden. Zu diesen Eigenschaften gehören unter anderem beständige und planbare Erträge, eine solide Finanzierung mit Eigenkapitalquoten von bis zu 70 Prozent, hohe zweistellige Margen (Sicherheitspuffer), ein langfristig positiver Ausblick und, wie wir heute wissen, ein krisenfestes Geschäftsmodell.

Seit vielen Jahren gilt für Tech- und Softwareunternehmen ein Zitat des Netscape-Erfinders Marc Andreessen als inoffizielles Motto: „Software is eating the world“ (Software frisst die Welt). Die aktuelle Pandemie hat uns gezeigt, dass Software jedoch weit mehr kann:

  • Software ist eine Verteidigung.
  • Software ist ein Angriff.
  • Software ist ein Absatzweg.
  • Software ist ein Produkt.
  • Software ist eine Dienstleistung.
  • Software ist eine Wachstumschance.
  • Software ist ein Upgrade.
  • Software ist ein Mehrwert.
  • Software ist ein Umsatztreiber.
  • Software ist ein krisenfestes Geschäftsmodell.
  • Software ist eine Chance.

Was bedeutet Software für Ihr Unternehmen? Es muss nicht gleich der große Wurf sein, aber eine Überlegung ist Software allemal wert. Und von den Großen kann man sich allerhand abschauen.

Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang ist Gisbert Rühl, CEO des Stahlhändlers Klöckner & Co. Nach einem Besuch des Silicon Valleys im Jahr 2014 entschied sich Rühl, sein Unternehmen zum Amazon des Stahlhandels zu machen. Anfangs belächelt, transformierte Rühl das Unternehmen in den letzten sieben Jahren zu einem Vorreiter im B2B-Stahlhandel, sodass selbst die Ikonen des Silicon Valleys Klöckner als ein Paradebeispiel für die Digitalisierung eines B2B-Geschäftsmodells ansehen. So erzielte der Stahlhändler aus Duisburg während der Pandemie 42 Prozent seines Umsatzes über die eigens entwickelten digitalen Absatzkanäle wie die XOM Materials Plattform und kam damit ohne Staatshilfe durch die Krise. Also: Was bedeutet Software für Ihr Unternehmen?

 

(Titelbild: Negative Space/Pexels)