„Alle nutzen es. Und wenn du es selbst nicht nutzt, dann bedeutet das einen Verlust.“ Das war die Antwort eines Markthändlers auf die Frage, warum er seinen Kunden eine digitale Bezahlmöglichkeit anbietet (Quelle: chinadaily.com). Der Markthändler hatte seinen Stand jedoch nicht auf einem Wochenmarkt bei uns in Deutschland, sondern in der Hauptstadt der Zhejiang Provinz in China. Und die Frage bekam er nicht heute gestellt, sondern bereits vor fünf Jahren.

Als meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Automotive Bereich mir über ihre ersten Delegationsreisen nach China berichteten, klang immer wieder durch, wie beeindruckend die Geschwindigkeit sei, mit der China die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreibe. Auch sie berichteten, dass sie das Gefühl hatten, dass sie die einzigen seien, die noch irgendetwas mit Bargeld bezahlen wollten.

Bunter Marktstand mit Obst und Gemüse.
An einem Marktstand digital bezahlen? In China ganz normal. (Bild: Caio/Pexels)

Wie gesagt, das war vor fünf Jahren. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Wochenmarkthändler bereits alle digitale Bezahlmöglichkeiten anbieten. Doch auch bei uns im Land hat das digitale Bezahlen durch die Corona-Pandemie zunehmend an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile bietet mir sogar der Bäcker meines Vertrauens die Möglichkeit, meine Brötchen mit der EC-Karte zu bezahlen. Für den Kontext: Ich wohne im Flecken Salzhemmendorf. Allein das Wort „Flecken“ sollte im geografischen Zusammenhang alles sagen.

Einkaufen ohne Schlangestehen

Doch im Grunde ist das Bezahlen per EC-Karte auch schon wieder überholt. Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem Sie sich voll und ganz dem Einkaufserlebnis hingeben können. Produkte aussuchen und ausprobieren ohne nervige Kassenschlange.

Unternehmen wie Amazon oder Rewe treiben längst neue Bezahl-Technologien voran, mit denen sich der Check-out im stationären Einzelhandel kontaktlos und insbesondere kassenlos gestalten lässt. Amazon vermarktet derartige Läden unter der Marke AmazonGo. Die Kunden loggen sich mit ihrer Amazon-App bequem über einen QR-Code im Laden ein und können dann einkaufen. Wenn sie alles beisammenhaben, verlassen sie den Laden und der Einkauf wird automatisch bezahlt. Ermöglicht wird das durch zahlreiche Sensoren und Kameras im Laden selbst sowie Künstliche Intelligenz.

Mutter und Tochter beim Einkaufen im Supermarkt.
Entspanntes Einkaufen ohne Warteschlange an der Kasse wird derzeit von mehreren Unternehmen erprobt. (Bild: Gustavo Fring/Pexels)

Bisher betreibt Amazon etwa 30 solcher Läden in ganz Nordamerika und es werden stetig mehr. Auch bei uns in Deutschland experimentieren immer mehr Einzelhändler mit dieser Technologie, wie beispielsweise Rewe. Im Oktober 2021 eröffnete das Unternehmen seinen ersten kassenlosen Supermarkt in Köln. Spinnt man das ganze weiter, sodass zukünftig alle stationären Läden ein derartiges Check-out System nutzen, dann wären in Deutschland davon 980.000 Menschen betroffen, die im Einzelhandel arbeiten. In Nordamerika wären es 3,35 Millionen. Wohlgemerkt wäre davon natürlich nur die Kassiertätigkeit betroffen und nicht gleich der ganze Arbeitsplatz.

Authentische, moderne und kundenfreundliche Lösungen

Aber auch alternative Systeme, wie zum Beispiel Self-Service-Kassen, die bei uns in Deutschland deutlich weiter verbreitet sind, zeigen, wohin die Reise gehen kann. In der IKEA-Filiale Expo Plaza in Hannover braucht es beispielsweise nur eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, um sechs solcher Kassen zu betreiben. Die Kunden scannen alle Produkte selbst und bezahlen anschließend die Ware. Wenn ich es mir recht überlege, passt das sogar zu der Grundidee von IKEA: Kunden können ihre Möbelstücke selbst aufbauen. Es ist authentisch, kommt bei den Kunden gut an und ermöglicht dem Unternehmen, Einsparpotenziale zu heben.

Was mich wieder zu dem chinesischen Markthändler vom Anfang führt. Disruptoren und disruptive Technologien greifen dort an, wo der größte Effizienz- und Erlebnismehrwert für den Kunden zu holen ist. Es muss bequem sein. Und je bequemer es ist, desto mehr Menschen nutzen die Technologie. Und irgendwann nutzen es fast alle und wenn man es selbst nicht nutzt, dann verliert man. An Kunden, an Umsatz, an Wettbewerbsfähigkeit.

Kund reicht Kreditkarte zum Bezahlen an Kassierer mit Terminal in der Hand.
Welche modernen Bezahl- und Einkaufsmöglichkeiten eine Zukunft haben, entscheidet die Kundschaft. (Bild: energepic.com/pexels)

Ich bin ein großer Fan der Digitalisierung. Sie wird sicherlich viele Tätigkeiten verschwinden lassen, aber gleichzeitig werden zahlreiche neue Tätigkeiten entstehen. Im Mittelpunkt wird jedoch immer der Mensch stehen, davon bin ich überzeugt. So ärgere ich mich selbst über zu lange Warteschlangen an den Kassen und da bin ich nicht der einzige (siehe Kundenschmerz-Ranking). Und so kommt es, dass unsere Entscheidung, bestimmte Technologien zu nutzen, zu deren Aufstieg führt.

Kundschaft, Belegschaft und Führungskraft entscheiden über Digitalisierung

Mit diesem Beitrag möchte ich weitergeben, dass es auf uns und unsere Entscheidungen ankommt, ob wir von der Digitalisierung profitieren oder nicht. Von unseren Entscheidungen als Kunden. Von unseren Entscheidungen als Beschäftigte. Und insbesondere von unseren Entscheidungen als Führungskräfte. Letzteren wird bei der digitalen Transformation eine entscheidende Rolle zuteil. Wenn Sie eine Führungskraft sind, dann ist es Ihre Aufgabe, sich um Ihre Angestellten zu kümmern. Trainieren Sie sie. Immer und immer wieder. Behandeln Sie sie mit Freundlichkeit und Respekt, denn sie sind der Grund, warum Sie dort sind, wo Sie gerade stehen. Und helfen Sie ihnen, sich auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten. Das ist Ihre verdammte Aufgabe. Oder wie es mein Coach und Management-Guru Tom Peters ausdrückt: „Menschen (Führungskräfte) dienen Menschen (Mitarbeiter*innen) dienen Menschen (Kund*innen).“ Und dann dient auch die Digitalisierung den Menschen und nicht umgekehrt.

Und apropos Einzelhandel: Wir von der Digitalagentur Niedersachsen sind davon überzeugt, dass die Digitalisierung für den Einzelhandel eine große Chance ist. Und deshalb unterstützen wir den Einzelhandel mit dem Förderprogramm Niedersachsen Digital aufgeLaden. Sprechen Sie uns gerne darauf an.

(Titelbild: Albin Biju/Pexels)