Das Metaverse gibt es nicht. Jedenfalls noch nicht. Auch, wenn sich viele XR- und Krypto-Anwendungen oder Spiele wie Fortnite bereits Metaversen nennen – die ursprüngliche Vision des Metaverse ist die Vernetzung von vielen 3D-Welten, die hauptsächlich via XR-Headset erreichbar sind. Es ist die logische Weiterentwicklung (und kein Ersatz) des 2D-Internet, wie wir es aktuell kennen.

Das heutige Internet ist offen und wird organisiert von NGOs wie der ISOC, W3C oder der ICANN. Es wird gestützt von Rechtsrahmen der EU, den USA und den jeweiligen Ländern und Regionen. Somit konnte sich ein freies Konstrukt entwickeln, welches von egal welchem Gerät von egal welchem Ort (im Zweifel mit VPN) erreichbar ist.

Wettlauf zum ersten richtigen Metaverse

Das Metaverse geht aktuell in eine andere Richtung. Hier versuchen Unternehmen wie Meta, Microsoft (Mesh) und neuestens auch Apple, ihre Standards festzulegen und somit einen Lock-In Effekt zu erzielen. Jedes Unternehmen möchte das erste sein, welches die Infrastruktur für ein Metaverse liefert und damit die zentrale Plattform bieten.

Um universelle Standards (wie JPEG oder WAV) auch für die 3D-Welten zu entwickeln, gibt es Konsortien wie die Khronos Group oder das von Ihnen initiierte Metaverse Standards Forum. Ein 3D-Objekt weiß manchmal nicht einmal, wo oben ist. Wenn wir in Zukunft allerdings einen Avatar haben, mit dem wir uns durch verschiedenste Welten beamen, müssen auch seine Merkmale und gegebenenfalls Kleidung in jede anders aussehende Welt übertragen und mitgenommen werden. Alles muss interoperabel sein.

Natürlich gibt es im 3D-Bereich bereits Standards wie die Formate OBJ oder FBX. OBJ lässt sich allerdings mit dem Datei-Format BMP bei Bildern vergleichen – es ist limitiert und ineffizient. FBX ist vergleichbar mit dem PSD-Format von Adobe – es kann zwar viel, gehört aber einer Firma. Eine Open-Source-Lösung der Khronos Group ist hierbei das Format gITF.

Es fehlt eine Art 3D-Browser

Zwei Frauen mit VR-Brillen agieren vor einem bunt beleuchteten Hintergrund.
Ein richtiges Metaversum gibt es heute noch nicht. Was fehlt, ist die wirkliche Vernetzung von vielen 3D-Welten, aber auch einheitliche Standards und so etwas wie ein spezieller Browser müssen her. (Bild: Darlene Alderson/Pexels)

Aber genug von den nerdigen Details. An 3D- und Dateistandards wird also gearbeitet. Doch es fehlt noch eine Open-Source-Plattform, die allen mit einem Headset, egal ob von Meta, Pico oder Varjo, den Zugang zum Metaverse ermöglichen kann. Eine Art 3D-Browser.

Ich erlebe in Projekten mit Unternehmen, Schulen und Verwaltung oft die Sorge vor dem unklaren Rechtsrahmen und insbesondere den Datenschutzbestimmungen, wenn bei einem XR-Projekt zum Beispiel Pico-Headsets aus China verwendet werden sollen in Kombination mit einer Kollaborations-Software aus den USA. Rechtlich gibt es im Metaverse noch viele Fragen zu klären: Arbeitsrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht und so weiter. Die Kanzlei Herfurth und Partner aus Hannover beispielsweise hat hierzu einen spannenden Überblick über das Metaverse im Rechtsrahmen zusammengetragen.

Land Niedersachsen arbeitet bereits kollaborativ im Metaverse

Was braucht es also für ein funktionierendes Metaverse? Neben den ganzen technischen und rechtlichen Voraussetzungen ist es insbesondere die Neugier. Gerade in Niedersachsen und Hannover haben wir eine besonders große Community aus dem Bereich der Virtual Reality. Wir organisieren schon seit über acht Jahren Deutschlands größte MeetUp-Reihe, das HANNOVR, bei der die deutsche XR-Szene regelmäßig zusammenkommt. Das Land Niedersachsen entwickelt zur Zeit ein großes Strategie-Papier zum Umgang mit dem Metaverse und arbeitet sogar schon kollaborativ darin, als eine der ersten Verwaltungen der Welt. Mit dem Virtual Reality Education Center Hannover (VRECH) haben wir als Region Hannover das erste Bildungszentrum für das Lernen mit XR in Deutschland aufgebaut. Hier zeigen wir Lehrerinnen und Lehrern sowie Ausbildenden, wie man schon heute in VR und mit 360°-Videos immersiven Unterricht gestalten kann.

Die Potenziale von immersiven Medien zur Vermittlung von Wissen, Kompetenzen, Kultur oder einfach nur zum Spaß sind riesig. Ich freue mich, dass wir in Niedersachsen hier bereits führend sind und die Nutzung von Virtual- und Augmented Reality in verschiedensten Bereichen fördern. Und wenn es dann das eine, zentrale Metaverse auch gibt, bin ich mir sicher, dass Niedersachsen dieses entscheidend mitgestaltet.

(Titelbild: Eugene Capon/Pexels)

Über den Autor

Tim Mittelstaedt

Tim Mittelstaedt

Tim ist Digitalisierungsexperte und arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit immersiven Medien wie VR und AR. Mit seiner Produktionsfirma timmersive setzt er internationale VR- und 360°-Projekte um und ist Co-Organisator von Deutschlands größtem XR-MeetUp, dem HANNOVR. Als Koordinator für Digitalisierung bei der Region Hannover ist er Projektleiter für das Virtual Reality Education Center Hannover (kurz: VRECH), dem ersten Bildungszentrum für das Lernen mit immersiven Medien in Deutschland.